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Meinung: Lieber nicht so unabhängig

Der Wahlausgang in Taiwan bringt Stabilität für Asien

Beunruhigende Bilder bestimmen die Präsidentenwahlen auf Taiwan. Erst die Schüsse auf Chen Shui-bian, einen Tag nach dem Urnengang überstand der Amtsinhaber nur knapp ein Attentat. Nun der Streit um das knappe Wahlergebnis. Zehntausende enttäuschte Anhänger demonstrieren seit dem Wochenende vor dem Präsidentenpalast in Taipeh gegen die Wiederwahl Chens von der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP). Von Wahlbetrug ist die Rede. Die Polizei rollte Stacheldraht aus. Vereinzelt kam es zu Prügeleien zwischen der Staatsmacht und den Demonstranten.

Bisher besteht jedoch weder Grund zur Sorge noch zu Zweifeln. Die meisten Demonstrationen sind friedlich. Die Mehrheit der Taiwanesen ist besonnen genug, um eine Eskalation des Wahlstreits zu verhindern. Auch gibt es keinen Grund, an der Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems in Taiwan zu zweifeln. Das hauchdünne Wahlergebnis, das Chen mit weniger als 30 000 Stimmen für weitere vier Jahre im Präsidentenamt belässt, ist allein kein Hinweis auf eine Manipulation. Der Attentatsversuch mag Chen viele so genannte Sympathiestimmen gebracht haben, und damit möglicherweise auch den Wahlsieg. Der Vorwurf vieler KMT-Anhänger, der Nationalchinesen, dass Chen den Anschlag auf sich selbst inszeniert habe, entbehrt bisher jeder Grundlage. Chens Sieg über seinen Konkurrenten Lien Chan von der KMT war nach allem Ermessen fair und demokratisch.

Wichtiger als die Innenpolitik sind aber die außenpolitischen Folgen dieser Wahl. Egal wie am Ende Taiwans Präsident heißt, er wird die gemäßigte Politik gegenüber China fortsetzen müssen. Chens Mandat ist so knapp, dass es weitere Schritte in Richtung einer formalen Unabhängigkeit Taiwans stark einschränkt. Die KMT setzt sich ohnehin für einen moderaten Kurs gegenüber Peking ein.

Noch wichtiger ist, dass das von Chen gestartete und zeitgleich mit der Wahl abgehaltene Referendum über den Umgang mit China wegen mangelnder Beteiligung durchgefallen ist. Das Referendum, bei dem es um den Umgang mit der militärischen Bedrohung durch China ging, hatte die Führung in Peking in Alarm versetzt. Taiwans Wähler haben also auch deutlich gemacht, dass sie eine weitere Konfrontation mit Peking nicht wünschen. Für Asien ist die Wahl deshalb ein Zeichen der Stabilität.

Harald Maass

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