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Vier Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Linke ein Grundsatzparteiprogramm gegeben. Es strebt einen radikalen Systemwandel an.

© dpa

Linkenparteitag in Erfurt: Klassenkampf um die Mandate

Die Finanzkrise hat die Linkspartei nicht gestärkt - im Gegenteil: Die Partei muss um den Erhalt ihrer Mandate kämpfen. Besonders kreativ ist sie dabei nicht.

Von Matthias Meisner

Die Parole lautet Einigkeit. Das ist bei der Linkspartei schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. Ausgezehrt von den erbitterten Kämpfen der Flügel, geschwächt von einer völlig überforderten Parteiführung, ernüchtert nach einer Serie von Wahlniederlagen, frustriert, weil Mitglieder sich abwenden oder einfach wegsterben und sich neue kaum noch locken lassen – das ist Lage der Linkspartei. Der Parteitag in Erfurt hätte böse ausgehen können für das „große politische Projekt“, das Oskar Lafontaine vor Jahren mit dem Zusammenschluss von WASG und PDS gestartet hat. Und doch: Die Linke hat sich nach eineinhalbjähriger Debatte auf ein Grundsatzprogramm verständigt. Noch einmal ist die Spaltung abgewendet worden, die zu betreiben manche Genossen ernsthaft erwogen hatten.

Doch um welchen Preis ist diese Einigkeit erreicht worden? Die 44 Seiten Programm liefern keinen modernen Gesellschaftsentwurf, selbst wenn nach der Atomkatastrophe in Fukushima das ökologische Kapitel erweitert wurde. Stattdessen schürt die Linke eine Stimmung des Klassenkampfes, stets in einer Abwehrhaltung. Bloß nicht werden wie die anderen Parteien, die sich „devot den Wünschen der Wirtschaftsmächtigen unterwerfen“, wie es in der Präambel heißt. Etwas Besseres will die Linke sein, die einzige Partei im Land, die den Empörten eine Stimme gebe, wie die Vorsitzende Gesine Lötzsch behauptet. „Die einzige antineoliberale Partei im Bundestag“, prahlt Sahra Wagenknecht, Lafontaines Gewährsfrau.

Seit 17 Monaten ist Oskar Lafontaine nun nicht mehr Vorsitzender der Linkspartei. Seitdem ist es steil bergab gegangen, aber die Genossen haben es nicht vermocht, die Schuldfrage zu klären und Konsequenzen zu ziehen. Bei der Bundestagswahl 2009 war die Linke noch auf 11,9 Prozent gekommen und mit 76 Abgeordneten ins Parlament eingezogen. Inzwischen wird sie auf die Hälfte taxiert, bedrohlich abgesackt in Richtung Fünfprozenthürde. Längst ist Lafontaine nervös geworden, er tritt wieder auf als Bestimmer. Wenn er es für geboten hält, wird er noch einmal für den Bundestag kandidieren, wahrscheinlich als Spitzenkandidat. Und vielleicht wird er sogar noch einmal Vorsitzender. Er ist quasi in einer Einpersonenherrschaft.

Weil Lafontaine es nicht vermochte, die politische Achse im Land nach links zu verschieben, drückt er die Linkspartei noch weiter nach links. Nach der Berliner Abgeordnetenhauswahl sagte Lafontaine: „Wenn wir allzu angepasst wirken, dann machen wir die Piratenpartei groß.“ Die radikalen Töne sind Programm geworden, den ostdeutschen Reformern bleiben die Landtage als Spielwiese. Die Hoffnung auf ein Linksbündnis im Bund ist passé, mindestens 2013 ist nichts mehr zu machen. Es geht nicht mehr um die Macht im Land, sondern nur um die Rettung der eigenen Mandate. Mit SPD und Grünen verbindet die Linke fast nichts mehr. Die Geschichte von Erfurt: In arger Bedrängnis wird eine Partei arroganter. Trotz Finanzkrise wirkt die Partei nicht mächtig, sondern ohnmächtig.

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