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Linkspartei: Oskar geht sie alle an

Auch ein Problem der Union: Die Linkspartei zeigt, wie ausgezehrt die Volksparteien sind. Sollte es der Linken gelingen, ein Fünfparteiensystem zu etablieren, wäre die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der SPD wie der Union vollends Geschichte.

Von Robert Birnbaum

Zu den groben Fehleinschätzungen im deutschen Politikdiskurs gehört der Glaube, die Linkspartei sei allein ein Problem der SPD. Das ist sie nicht. Fast möchte man sagen: im Gegenteil. Zwar stellt der Newcomer für Sozialdemokraten eine besonders peinliche Herausforderung dar, speziell symbolisiert in der Gestalt ihres Ex-Vorsitzenden Oskar Lafontaine. Aber bei anderen Parteien verursacht diese Linke genauso tiefe Sorgenfalten – die tiefsten bei der CDU.

Dafür sorgt die schlichte Mathematik. Als die Grünen in den Bundestag einzogen, verlor die FDP ihre privilegierte Rolle als Klappscharnier des Volksparteiensystems. Sollte es der Linken gelingen, ein Fünfparteiensystem zu etablieren, wäre die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der SPD wie der Union vollends Geschichte. Im Bund ist das jetzt schon so; deshalb regiert die große Koalition. In den Ländern, speziell in Hessen, könnte es nach der Wahl im nächsten Januar so weit sein. Dafür muss die Linke nicht einmal sensationell gut abschneiden. Schon ein Ergebnis wenig über fünf Prozent führt unter Umständen dazu, dass eine große Koalition oder ein schwieriger Dreibund für jede Volkspartei der einzige Weg zur Macht bleibt.

Der tiefere Grund für diese Situation liegt – mathematisch wie politisch – in der Auszehrung der etablierten Parteien über die Jahre hinweg. Absolute Mehrheiten in Landtagen täuschen leicht darüber hinweg, dass hinter der Regierungspartei in Wahrheit oft nur noch ein Viertel der Wähler steht. Theoretisch macht dieser Anstieg der Nichtwähler allen Sorge. Praktisch ist er allen egal, solange die Verweigerer die Prozente nicht verschieben oder bloß zulasten des politischen Gegners.

Die Linke aber kann Nichtwähler mobilisieren. Oskar bietet Heimat für alle Arten Politikverdrossene, die Schröder-Vertriebenen der SPD voran. So bitter das für die SPD ist, genauso folgenschwer ist es für die CDU. Jeder Ex-Nichtwähler, der "Linkspartei" ankreuzt, verringert das relative Gewicht jeder anderen Stimme. Roland Koch könnte dann exakt so viel Stimmen bekommen wie 2003 – es reichte nicht mehr zum Alleinregieren.

Deshalb mag es der Union kurzfristig als gute Idee erscheinen, mit Rote-Socken-Kampagnen, mit der Angst vor einer "linken Mehrheit" die eigenen Truppen zu mobilisieren. Auf längere Sicht produzieren solche Strategien die Mehrheiten, die sie verhindern sollen. Kein Protestwähler wählt Oskar nicht, weil die CDU davor warnt; eher wählt er ihn darum erst recht. Und Erfolg macht sexy. Kein Lafontaine, kein Ulrich Maurer wird die SPD auf Dauer davon abhalten, die Linke zu behandeln wie weiland Helmut Kohl die Ost-CDU: als zwar anrüchigen, aber notwendigen Mehrheitsbeschaffer.

Es hilft nichts – wer die Linkspartei bekämpfen will, muss ihr die Wähler abwerben. Das ist parteigeografisch der Job der "linken" SPD, interessenpolitisch aber viel dringlicher für die CDU. Selbst wenn das Gespenst der "linken Mehrheit" Gespenst bliebe – das alte bürgerliche Bündnis verhindern kann es trotzdem.

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