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Lissabon-Vertrag: Europa lebt!

Der Lissabon-Vertrag ist am Ziel – angesichts seiner Entstehung ist das ein kleines Wunder. Nun kann die Reform der Europäischen Union endlich in Kraft treten.

Zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer steht Europa erneut vor einem historischen Moment. So wie der 9. November 1989 Ost und West wieder zusammenführte, so kann nun endlich der Lissabon-Vertrag der Europäischen Union in Kraft treten. Der Vertrag hat sehr viel mit dem epochalen Berliner Ereignis vor 20 Jahren zu tun. Denn nach dem Mauerfall wuchs zunächst einmal die Zahl der EU-Mitglieder, ohne dass allerdings der größer gewordene Club einfacher zu steuern wurde.

Mit dem Lissabon-Vertrag, dessen Übereinstimmung mit der tschechischen Verfassung das Gericht in Brünn nun noch einmal bestätigt hat, erhält die EU jene Instrumente, die ihr ein kraftvolles Auftreten in der Welt und eine bessere Verzahnung mit ihren Bürgern im Innern ermöglichen: weniger Veto-Möglichkeiten einzelner Mitglieder, einen ständigen Ratspräsidenten, einen „Hohen Vertreter“ für die Außen- und Sicherheitspolitik und nicht zuletzt mehr Rechte für das EU-Parlament und die nationalen Kammern.

Vor 20 Jahren waren es Politiker in Ungarn und der Tschechoslowakei gewesen, die den Gang jener Ereignisse beschleunigten, die schließlich in den 9. November mündeten. Jetzt war es lange Zeit ausgerechnet der oberste Repräsentant des tschechischen Staates, der versuchte, den Durchbruch innerhalb der EU zugunsten größerer Effizienz und von mehr Demokratie zu verhindern.

Doch die Geografie spielt dabei nur eine zufällige Rolle. Vaclav Klaus, der nach dem Gerichtsurteil in Brünn keinen Grund mehr vorschieben konnte, um seine Unterschrift unter den Vertrag zu verzögern, ist vielmehr so etwas wie der Prototyp der Europaskepsis, die es überall auf dem Kontinent gibt. Er bündelt in seiner Person die Vorbehalte, wie sie in der achtjährigen Entstehungsgeschichte der EU-Reform auch andernorts immer wieder an die Oberfläche kamen: bei der Ablehnung der damaligen EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden oder dem „Nein“ der Iren zum Reformvertrag. Auch die dubiose Haltung des derzeitigen britischen Oppositionschefs David Cameron, der am liebsten gemeinsam mit Klaus die EU-Reform zu Fall gebracht hätte, fällt in diese Kategorie.

Angesichts der europaweiten Einsprüche gegen das Reformwerk und der permanenten Nachbesserungsarbeiten kommt es fast schon einem kleinen Wunder gleich, dass der Lissabon-Vertrag nun doch ins Ziel gekommen ist. Noch bemerkenswerter ist, dass auch die Substanz des ursprünglichen Reformvorhabens erhalten blieb.

Der Vertrag wird bevölkerungsreichen Staaten wie Deutschland ein größeres Gewicht in der Europäischen Union verleihen. Deshalb wird es gerade auch vom diplomatischen Geschick Deutschlands und seines neuen Außenministers abhängen, kleine EU-Staaten von ihrer Angst zu befreien, dass ihre Stimme künftig in der Gemeinschaft kein Gehör mehr findet. Schon deshalb ist es gut, dass Guido Westerwelle die Benelux-Staaten gleich zu Anfang in seine Antrittstour im Ausland mit aufgenommen hat.

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