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Lockangebot "Steuererhöhung": Ein verwerfliches Angebot der CDU an die SPD

Der Wahlkampf ist vorbei, die Politik kann beginnen. Unlängst nehmen - kurz vor Koalitionsgesprächen - CDU-Politiker das Wort "Steuererhöhung" in den Mund. Doch dieses Lockangebot an die SPD ist ein verwerfliches.

Von Lutz Haverkamp

Der Wahlkampf – die Karikatur von Politik – ist vorbei. Jetzt geht es nicht mehr vorrangig um Stinkefinger und Rautenhände. Es geht wieder um Politik. Um Inhalte. Beim Thema Steuererhöhungen geht das sogar in atemberaubender Geschwindigkeit. Noch bevor überhaupt Sozialdemokraten oder Grüne signalisiert haben, mit CDU und CSU über eine Koalition verhandeln zu wollen, scheint bei der Union das Wahlversprechen, die Bürger nicht stärker belasten zu wollen, zu bröckeln: ein CDU-Haushaltspolitiker, der sich das Anheben des Spitzensteuersatzes vorstellen kann; ein Bundesfinanzminister der CDU, der vielsagend auf die anstehenden Koalitionsgespräche verweist, aber nicht sagt, dass die Union nach wie vor gegen Steuererhöhungen ist; und ein CDU-Parteivize, der beim Thema Steuererhöhungen Kompromissbereitschaft signalisiert.

Vor dem Wahlsonntag, der so lange noch nicht Geschichte ist, klang das ganz anders. „Steuererhöhungen lehnen wir ab“, heißt es unmissverständlich auf Seite sieben des Schriftstücks „Ziele des Regierungsprogramms“ von CDU und CSU. Und im TV-Duell gegen ihren Herausforderer Peer Steinbrück, der im Wahlkampf immer höhere Steuern angekündigt hatte, sagte die Kanzlerin zu der Höhe der derzeitigen Steuereinnahmen: „Mit denen müssen wir auskommen, und mit denen werden wir auskommen.“

Längst steht der Vorwurf der Wahllüge im Raum

Der Vorwurf der Wahllüge steht längst im Raum, die Dementis aus der CDU zwar auch. Aber der Basar ist eröffnet, das Feilschen beginnt. Es stellt sich die Frage, ob Merkel Steuererhöhungen braucht, um einen Koalitionspartner zu finden. Oder – und das ist die viel wichtigere Frage – ob es finanz-, wirtschafts- und haushaltspolitisch nötig ist, die Steuern zu erhöhen. Die zweite Frage kann schlicht mit einem Nein beantwortet werden. Erst am Donnerstag teilte das Statistische Bundesamt mit, dass der deutsche Schuldenberg im ersten Halbjahr um 34,1 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahresstand gesunken ist. Auch, weil der Staat in den zurückliegenden Monaten von einem Steuereinnahmerekord zum nächsten eilte. Der deutsche Fiskus hat kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem. Das Lockangebot aus Teilen der Union an die SPD, man könne in Koalitionsverhandlungen natürlich auch über Steuererhöhungen reden, ist ein verwerfliches. Es zeigt, mit welch kleiner Münze derzeit bezahlt wird. Eine große Koalition muss ein überwölbendes Projekt haben. Einen großen Plan. Eine Vision. Eine Pflegereform, die die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt, wäre ein solches Projekt.

Sollte die SPD ihr Wort brechen, wäre nicht nur der Wahlkampf eine Karikatur

Der Umbau der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung, eine demografiefeste Rentenversicherung wären lohnende Ziele. Und im Zweifelsfall auch eine umfassende Steuerreform, die aber nicht zum Ziel hat, die Einnahmen zu erhöhen. Sondern eine, die es schafft, bei einem gleichbleibenden Steueraufkommen eine einfachere, gerechtere und transparentere Systematik einzuführen. Wahlversprechen hat es eine ganze Menge gegeben. Bei dieser Wahl und bei all jenen davor. Manche wurden eingehalten, andere nicht. Die SPD hat zum Beispiel versprochen, nicht mit der Linken zu koalieren. Müssen sich die Sozialdemokraten daran noch halten, wenn die Union gleichzeitig Steuererhöhungen das Wort redet? Ja, sie müssen. Sollte die SPD ihr Wort brechen, wäre nicht nur der Wahlkampf eine Karikatur. Dann verkäme auch die ganz normale Politik zu einem schlechten Witz.

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