zum Hauptinhalt

Meinung: LOCKERUNGSÜBUNGEN ZUM WAHLKAMPFAnd the winner is …

Von Roger Boyes Mein Glaube an den Weihnachtsmann war nicht mehr derselbe, seit mein Vater Weihnachten 1961 gegen Mitternacht versuchte, ein Spielzeug-Maschinengewehr (1961 war ein sehr militaristisches Weihnachten) an meinem Bettgestell zu befestigen und mir das Ding versehentlich an den Kopf knallte: Ich bekam meine erste Migräne und war um eine Illusion ärmer. Aber, es gibt ihn doch, den Weihnachtsmann.

Von Roger Boyes

Mein Glaube an den Weihnachtsmann war nicht mehr derselbe, seit mein Vater Weihnachten 1961 gegen Mitternacht versuchte, ein Spielzeug-Maschinengewehr (1961 war ein sehr militaristisches Weihnachten) an meinem Bettgestell zu befestigen und mir das Ding versehentlich an den Kopf knallte: Ich bekam meine erste Migräne und war um eine Illusion ärmer.

Aber, es gibt ihn doch, den Weihnachtsmann. Er kommt im Sommer, wenn Wahlkampf ist. Er bringt Geschenke für den Osten, fantastische Versprechungen („Niemandem wird es schlechter gehen als vor der Flut“) und stellt Schecks an jeden aus, der das Glück hat, genau sieben Tage vor der Wahl entlassen zu werden. 400 Millionen Euro – das hat die Bundesregierung angekündigt –, um 5 500 Arbeitsplätze zu sichern. Das sind 740 000 Euro pro Mobilcom-Mitarbeiter. In Schleswig-Holstein ist Weihnachten dieses Jahr ein wenig früher. Die Rechnung macht sich übrigens besser, wenn Sie das Geld auf die 2 173 671 schleswig-holsteinischen Wähler verteilen: 184 Euro pro Nase. Danke, lieber Weihnachtsmann!

So ist das mit der Bundestagswahl: Niemand verliert – das ist wie Weihnachten. Ich habe keine Zweifel, dass Schröder gewinnen wird (bitte lesen Sie diesen Artikel vor 18 Uhr; schneiden Sie ihn nicht aus und heben Sie ihn auch nicht auf), er hat den Impetus. Stoiber wird nach Hause zurückkehren, als Held, der der CDU den Kampfgeist wiedergegeben hat. Selbst wenn Schröder verliert – und das ist wirklich unwahrscheinlich, glauben Sie mir –, wechselt er in den Vorstand von Volkswagen und wird richtig reich. Deutschland hat ein politisches System ohne Verlierer geschaffen.

Die Wahlnacht in Berlin hat was von einer Oscar-Nacht: Jeder bekommt einen Preis und hält eine tränenreiche Rede. Und hier, meine Liste der Preisträger:

Beste Nebendarstellerin: Angela Merkel für ihre Stummfilm-Rolle im Wahlwerbespot 2002. Bester Nebendarsteller: Joschka Fischer aus der Wählt-Joschka-Partei für die Rettung der Welt vor dem bösen Geist George W. Bush. Bestes Drehbuch: Michael Spreng für einen Plot mit Drehungen und Wendungen. Eine Homage an Alfred Hitchcocks Vertigo. Bester Actionfilm: SchwarzGelb, mit Michael Friedmann als Anführer der Schwarzen, Jürgen Möllemann als Kopf der Gelben. Beste Hauptdarstellerin: Sabine Christiansen für ihre Rolle als äh, Frau Merkel. Bester Hauptdarsteller: Gerhard Schröder, nein Edmund Stoiber, nein …

Im Moment ist es ja in Mode, dass Zeitungen Wahlempfehlungen geben. Eine Tradition, die auf Otto Grotewohl zurückgeht. Da halte ich es für angebracht, zum Abschluss meiner Wahlkolumne, den verwirrten deutschen Wählern einen angelsächsischen Ratschlag zu geben: Wenn Sie an den Weihnachtsmann glauben – dann wählen Sie ihn.

Der Autor ist Korrespondent der „Times“.

NAME

Zur Startseite