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Meinung: Lohn für Wettbewerb

„Der deutsche Irrweg“ vom 14. April Herr Schumann behauptet, in einer der Grafiken von EZB-Präsident Mario Draghi sei ein Fehler unterlaufen.

„Der deutsche Irrweg“ vom 14. April

Herr Schumann behauptet, in einer der Grafiken von EZB-Präsident Mario Draghi sei ein Fehler unterlaufen. Diese Grafik zeigt für verschiedene Länder des Euro-Gebiets die reale Produktivitätsentwicklung und die nominale Lohnentwicklung. Diese Kombination sei ein „statistischer Fehltritt“, weil man nicht reale und nominale Größen kombinieren kann, und die Grafik hätte vielmehr die reale Lohnentwicklung aufzeigen sollen. Dem ist nicht so. Für die Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Ländern sind die tatsächlich gezahlten Löhne maßgeblich und nicht die Löhne, die mithilfe der heimischen Inflationsrate in inländische Reallöhne umgerechnet wurden. Der Grund liegt darin, dass die Unternehmen mit anderen Unternehmen im internationalen Preiswettbewerb stehen und dieser sich nicht an der Preisentwicklung im Heimatmarkt ausrichtet. Insofern ist es völlig richtig, bei der Wettbewerbsfähigkeit auf die nominale Lohnentwicklung abzustellen.

Die reale Lohnentwicklung ist für die inländische Kaufkraft wichtig, aber im Zusammenhang der Wettbewerbsfähigkeit irreführend. Die Verbindung der realen Produktivität und nominalen Lohnentwicklung ergibt im Übrigen die Lohnstückkosten, den am meisten verbreiteten Indikator für Wettbewerbsfähigkeit. Präsident Draghi hat auf die beiden Komponenten getrennt hingewiesen, um zu veranschaulichen, dass für die relative Wettbewerbsfähigkeit der meisten Euro-Länder weniger die Produktivitätsunterschiede eine Rolle gespielt haben, als vielmehr die jeweilige Lohnentwicklung, bei der die Unterschiede besonders auffallend sind.

Dr. Christian Thimann,

Europäische Zentralbank, Frankfurt

Die Darstellung des Problems mit der unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Staaten durch EZB-Präsident Draghi ist tatsächlich irreführend. Richtig ist zwar, dass die nominalen Lohnstückkosten ein weitverbreiteter Indikator für die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes in einer Währungsunion sind. Richtig ist auch, dass die Unterschiede in der Entwicklung dieses Indikators vor allem auf unterschiedliche Lohnentwicklungen in den einzelnen Ländern zurückzuführen sind. Richtig ist schließlich auch, dass die Lohnentwicklung in Deutschland deutlich schwächer war als in den Krisenländern und auch als in Frankreich.

Falsch ist aber – und dies ist der berechtigte Vorwurf –, die Entwicklung in Deutschland als vorbildlich gegenüber den anderen Ländern darzustellen. Bei dieser Betrachtung verliert der EZB-Präsident erstaunlicherweise nämlich das von der EZB selbst gesetzte Inflationsziel von zwei Prozent aus den Augen. Mit dieser Zielmarke war weder die Lohnstückkostenentwicklung in den Krisenländern – sie waren zu hoch – noch in Deutschland – sie war zu niedrig – vereinbar. Beides hätte gerade der EZB-Präsident kritisieren müssen. Zugleich hätte er Frankreich loben müssen, denn dort sind Löhne und Produktivität im Einklang mit dem Inflationsziel der EZB gestiegen. Da ist dann doch wohl die Frage erlaubt, ob ideologische Überlegungen, die jegliche Lohnsteigerung für schlecht halten, nicht den Blick auf das eigene Ziel verstellt haben.

Prof. Dr. Gustav A. Horn,

Institut für Makroökonomie und

Konjunkturforschung, Düsseldorf

Herr Schumann lässt bei der Analyse die rechtlichen Rahmenbedingungen außer Betracht. Die EU ist ausdrücklich keine Haftungsgemeinschaft. Alle EU-Staaten haben und legen besonderen Wert darauf, dass sie die Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik autonom bestimmen. Dieses Beharren auf der nationalstaatlichen Autonomie war sicherlich ein schwerwiegender Geburtsfehler für eine gemeinsame Währung. Auch während der Krise sind die meisten EU-Länder nur unter dem Druck der Verhältnisse bereit, ein wenig von ihrer nationalstaatlichen Selbständigkeit abzugeben.

Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass auch die südeuropäischen Staaten in großem Umfang von der Einführung des Euro profitiert haben. Sie haben eine nie dagewesene Zeit der Preisstabilität erlebt. Die privatenVermögen sind erheblich gewachsen. Wichtige Reformen sind aber unterblieben. Die Immobilienblase in Spanien hat sich langfristig abgezeichnet.

Der wachsenden Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen ist mit keinem politischen Ansatz begegnet worden. Für das unverantwortliche Agieren der Regierung Berlusconi in Italien ist das Land allein verantwortlich. Insofern ist die Entwicklung in Europa äußerst komplex. Ein Frühwarnsystem hat es leider nicht gegeben. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn Deutschland gemeinsam mit Frankreich beim Abzeichnen der Krise entschlossener agiert hätte.

Hans-Wilhelm Groscurth,

Berlin-Charlottenburg

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