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Ballons zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg.

© rtr

Luftballons: Weltkrieg gegen die Tierwelt

Die Umweltschutzorganisation Robin Wood kritisiert, dass zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg Ballons aufsteigen. Das sei Krieg gegen die Tierwelt. Dazu eine Glosse.

Eine Glosse von Helmut Schümann

Ich habe nicht mitgezählt, wie viele Luftballons man so in einem Leben aufbläst. Wenn man pro Kindergeburtstag 15 ansetzt, und das ist ja eher wenig, wenngleich schon eine stattliche Blasleistung, wenn man also nur 15 ansetzt, kommt man bei allen Kindergeburtstagen mit Luftballonbeteiligung leicht auf mehr als die 99, die Nena einst besang. Wenn es gut läuft, hat man den Ballon unfallfrei aufgeblasen, einen roten Kopf, hat noch irgendwie einen Knoten als Luftentweichsperre reingepfriemelt, das Kind strahlt, und der Ballon flattert im Wind. Wenn’s schlecht läuft, ist der Ballon von minderer Qualität, und man bläst und bläst und bläst, der Kopf wird gefährlich signalrot, und wenn man meint, der Ballon habe die Normgröße erreicht, platzt er. Peng!

Dann schaut das Kind erschrocken, aber nur kurz, weil der gute Vater sofort einen neuen Ballon an die Lippen setzt. Der gute Vater, das Umweltschwein. Der gute Vater, der Naturschänder. Der gute Vater? Ein Mörder ist er, der nicht halt macht vor unschuldigen und ungeschützten Tieren. In Reims in Frankreich, haben sie dieser Tage 2000 Luftballons aufsteigen lassen, blaue, weiße, rote, wie die Trikolore, Frankreichs Fahne. Anlass war der Beginn des Ersten Weltkrieges vor hundert Jahren, und an jedem Ballon hing eine Postkarte in Erinnerung an die getöteten französischen Soldaten. Es gibt düstere Gedenken als bunte Ballons, Völkerschlachtdenkmale etwa oder Heldenstatuen. Und wer sich an den patriotischen Farben stört, der stört sich auch hier an den Standarten, die auch noch fast vier Wochen nach dem Triumph von Rio an deutschen Autos flattern. Dem ist eh nicht zu helfen, man kann es auch als Kolumnist eh nicht jedem recht machen. Ballons sind schön. Ballons fallen aber auch mal wieder runter. Und verrotten nur langsam. Vorher werden sie von Vögeln, Fischen und Meeressäugetieren gefunden und gefressen. Die Umweltschutzorganisation Robin Wood sieht in der Ballonaktion von Reims kein Gedenken an den Ersten Weltkrieg, sondern mehr den Dritten Weltkrieg, die Menschenwelt gegen die Tierwelt. Robin Wood will die Stadt Reims wegen „Liegenlassen von Abfällen“ verklagen. Kein Kommentar dazu. Das Kind ist jetzt schon groß und feiert ohne Luftballons. Schade, ich würde ihm noch einen aufblasen. Peng!

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