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Meinung: Mainzelmacht

40 Jahre ZDF: Wie aus Adenauers „Staatsfernsehen“ Fernsehvielfalt wurde

Gestern vor 40 Jahren ging das ZDF (das lange unter seinem Namen litt, nämlich nur „Zweites Deutsches Fernsehen“ zu sein) zum ersten Mal auf Sendung, und zwar um 19 Uhr 30 mit einer Ansprache des Intendanten, Professor Karl Holzamer. In der Folge gab es mit wachsendem Erfolg die Mainzelmännchen und Wim Thoelke, „Wetten dass ..?“ und die Kultursendung „Aspekte“.

Aber das ZDF wollte nicht nur seine Zuschauer unterhalten, amüsieren und belehren – es war in erster Linie als politische Gründung gedacht. Konrad Adenauer, der eiserne Kanzler der Restauration, hatte es mit viel Anstrengung ins Leben gerufen, um ein Gegengewicht gegen die Fernsehsender der ARD zu haben, mit ihren ersten und ihren dritten Programmen. Ein öffentlich-rechtliches Gegengewicht gegen öffentlich-rechtliche Anstalten, ein konservatives, also „schwarzes“ Gegengewicht gegen die vorwiegend „roten Kanäle“, vor allem der norddeutschen Sender. Und ein zentrales Übergewicht gegen die Regionalität der ARD-Anstalten, die dem föderativen Charakter der Anstalten von München bis Kiel, von Saarbrücken und Baden-Baden bis West-Berlin entgegenarbeiten und entgegensenden sollte.

Adenauers Wunsch, sich mit dem ZDF sozusagen einen Regierungs-nahen und Regierungs-frommen Sender zu schaffen – ein „Staatsfernsehen“, wie seine Gegner, vor allem in der Opposition und unter den Intellektuellen, argwöhnten – dieser Wunsch ist nicht in Erfüllung gegangen. Er scheiterte an den deutschen Realitäten; unter anderem am Bundesverfassungsgericht.

Und auch die fromm-konservative Ausrichtung funktionierte nur bedingt und nur für eine Weile. Für diese Adenauer-Idee stand der Senderstandort Mainz, und es scheint nachträglich auch kein Zufall, dass es die politische Heimat Helmut Kohls war.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Trotzdem: Das ZDF wurde zum belebenden Konkurrenten der ARD, und Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Staatsfernsehen war in der Bundesrepublik dank der westlichen Besatzungsmächte in den Gründerjahren der Republik nicht möglich; ebenso wenig wie übrigens eine staatstragende, staatsgelenkte Presse: Auch da waren anfangs die Engländer und Amerikaner (und Franzosen) davor, so dass wir ihnen das Funktionieren der „vierten Gewalt“, der Macht der Medien, als weitgehend unabhängiges Gegenüber des Staates, als Informationsinstrument der Öffentlichkeit, verdanken.

Was das wert ist, sehen wir gerade jetzt, wo der Krieg im Irak die Gemüter aufwühlt und das Deutsche Fernsehen trotz seiner Betroffenheits-Sorgenfalten und trotz anfänglicher Neigung zu moralingeschwängerter Parteinahme und besserwisserischer Belehrung (allen voran Generalfeldmarschall Scholl-Latour) uns lehrt, was ein freies Fernsehen wert ist.

Ohnehin haben wir Zuschauer inzwischen dank Kabel, Satellitenschüssel und terrestrischer Wellen die volle Wucht aller Programme (an die hundert) zur Verfügung. Und es war nur eine Frage der Zeit, dass Mitte der 80er zu den öffentlich-rechtlichen Sendern die Privaten kamen – auch sie der (erneute) Versuch, vor allem der CDU, dem Verdacht oppositioneller Aufmüpfigkeit der bestehenden Anstalten zu begegnen.

Inzwischen hat sich zwischen „Privaten“ und „Öffentlich-Rechtlichen“ das Verhältnis eingependelt – die Privaten haben dem Ersten und Zweiten das Quotenbewusstsein beigebracht und den Dienst nach Vorschrift plus Beamtenmentalität ausgetrieben; die Öffentlich-Rechtlichen den Privaten die Recherche und die Seriosität eingebläut – jedenfalls zu Teilen. Und so können wir eigentlich zufrieden sein, was wir auf dem Bildschirm national zu sehen bekommen: von den Riesen RTL, ARD und ZDF, von den „Dritten“ und auch von Arte, der deutsch-französischen Kreation für den geduldigen Zuschauer. Was als Adenauer-Trickserie anfangen sollte, wurde zur Vielfalt.

Hellmuth Karasek

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