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Meinung: Makellos kann es nicht sein

Erst im Lack, nun im Fundament: Was der Fall Degussa über das Mahnmal lehrt

Jetzt wird die Debatte um den Bau des Holocaust-Mahnmals fundamental – nicht nur, weil auch beim Fundament ein Degussa-Produkt verbaut worden ist. Jahrelang hat man diskutiert: Wo soll das Mahnmal errichtet werden, wie soll es aussehen, wer soll es bezahlen? Eine nur scheinbar tiefschürfende Diskussion. Um einen entscheidenden Punkt aber hat man sich gedrückt: welche Folgen es hat, dass hier die Nachfolger der Täter ein Denkmal an den Massenmord errichten.

Dass eine Zusammenarbeit mit der Degussa schwierig werden könnte, war der Geschäftsführung der Stiftung seit Monaten klar. Aber weil die Vorgänger aller großen deutschen Chemiefirmen – nicht nur der Degussa – über die IG Farben an der Produktion von Zyklon B beteiligt waren, ist auch über Degussa geschwiegen worden. Eine vertane Chance – für das Mahnmal und das Erinnern in Deutschland. Ist doch die Erkenntnis, dass es unmöglich ist, beim Mahnmalbau ein „Reinheitsgebot“ einzuhalten, erst recht ein Grund, in die Offensive zu gehen.

Stattdessen geht die Debatte ins Bodenlose. Nun ist nicht nur der Graffitischutz ein Problem, sondern auch wieder das ganze Mahnmal. Weil ja Degussa auch im Fundament steckt. Und wenn Degussa wegen seiner Vergangenheit nicht auf dem Mahnmal drauf sein darf, dann darf Degussa auch nicht drin sein. Das wäre nur konsequent. Nur, das gesamte Mahnmal abreißen, das will niemand. Selbst Lea Rosh nicht, die stellvertretende Vorsitzende des Förderkeises, die eine Zusammenarbeit mit Degussa als den Opfern unzumutbar abgelehnt hatte.

Geschadet also hat die Debatte allen Beteiligten. Der Geschäftsführung der Stiftung, weil sie so lange geschwiegen hat. Lea Rosh und Bausenator Peter Strieder, weil sie mit ihren kompromisslosen Forderungen einen Baustopp bewirkt haben. Und dem Mahnmal selbst, weil es doch ein Zeichen dafür sein sollte, dass die Deutschen sich offen zu ihrer Vergangenheit bekennen.

Einzig der Degussa dürften die jüngsten fundamentalen Enthüllungen nicht ungelegen kommen. Zuerst der Graffitischutz, jetzt der Betonverflüssiger – das muss dem Konzern nicht doppelt unangenehm sein. Im Gegenteil. Die Diskussion über ein Reinheitsgebot für das Mahnmal ist so beträchtlich verändert worden: Weil ein Degussa-Produkt schon im Fundament verarbeitet wurde, einen Abriss aber niemand will – warum sollte es dann unzumutbar sein, dass ein Degussa-Lack die Stelen schützt?

Da ist es vielleicht auch kein Zufall, dass der erste Bericht über den Betonverflüssiger von Degussa in einer Düsseldorfer Zeitung erschienen ist. In Düsseldorf ist auch die Degussa beheimatet. So wie es vielleicht auch kein Zufall war, dass als erste eine Schweizer Zeitung über die Vergangenheit der Degussa und ihre Beteiligung am Mahnmalbau berichtet hat. In der Schweiz hat die Firma ihren Hauptsitz, die ursprünglich mit dem Graffitischutz der Stelen beauftragt worden war, dann aber von Degussa ausgebootet wurde.

Ein deutsches Mahnmal für die ermordeten Juden: Das wird, das kann auch nie widerspruchsfrei sein. Das ist sein Sinn.

Dagmar Rosenfeld

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