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Mangelndes Fingerspitzengefühl kritisiert: Umstrittener neuer Berater für Kanzlerkandidat Steinbrück

Steinbrück hat einen neuen Berater engagiert. Er arbeitete früher für einen US-Hedgefonds. Ausgerechnet.

Von Antje Sirleschtov

Ein „bisschen wenig Fingerspitzengefühl“ habe er womöglich bewiesen, hat Peer Steinbrück noch vor ein paar Tagen in Hamburg zugegeben. Mit den Debatten rund um seine Nebenverdienste und seine Männer-Mannschaft hatte er einen Kandidatenauftakt hingelegt, den zum Schluss selbst seine treuesten Unterstützer als Fehlstart bezeichnet haben. Dann das Mea culpa aus Hamburg: Ein Maxima-Mea culpa für einen Kerl wie Steinbrück. „Wenig Fingerspitzengefühl“ heißt auf Peer’sch wohl so viel wie: Habe verstanden, kommt nicht mehr vor. Nun gut, in den Staub muss er nicht sinken. So schrecklich war es dann auch wieder nicht. Und wer macht schließlich in seinem Leben keine „Lernkurve“ durch. Auch Peer Steinbrück sei sie zugestanden.

Aber wohin führt die Kurve des Kandidaten jetzt? Nach all dem Krach und Ärger hat sich Steinbrück nun einen weiteren Berater ins Willy-Brandt-Haus geholt. Einen, der ihn in Online-Fragen beraten soll. Weil es Steinbrück, wie er selbst sagt, mit den „Social Media“nicht ganz so hat.

Dass der Neue namens Roman Maria Koidl wieder keine Frau ist, stört dabei keinen wirklich (außer vielleicht ein paar SPD-Funktionärinnen, die es Steinbrück gleich zu Anfang übel genommen haben, dass er von Quoten in seinem Team offenbar weniger hält als von Qualitäten). Aber bemerkenswert ist es dennoch. Denn Steinbrück beweist mit seiner Wahl zumindest in Geschlechterfragen Standfestigkeit und Beharrlichkeit. Nur, weil behauptet wird, er habe ein Problem mit Frauen, umgibt er sich jetzt nicht nur deshalb mit ihnen, damit ein jeder vom Gegenteil überzeugt werde. Das nennt man Charakter.

Indes: Die Qualifikation des neuen Steinbrück-Beraters Koidl, die lässt erahnen, dass der Kandidat womöglich schon wieder nicht richtig aufgepasst haben könnte. Sein neuer Online-Berater Koidl nämlich mag ein begnadeter Online-Verkäufer seiner selbst hergestellten Pralinenstückchen sein und in letzter Zeit auch ein paar ganz ordentlich laufende Blogs zu Werbezwecken für seine Bücher „Scheißkerle“ und „Blender“ im Internet aufgelegt haben. Allerdings gibt die Verbindung Steinbrück–Koidl Anlass zu allerhand anderen Fragen. An den Kanzlerkandidaten versteht sich. Vielleicht nicht so sehr, warum der Unternehmer sein Business ausgerechnet in der Schweiz und nicht in Deutschland betreibt. Steinbrück wird Koidl darauf hingewiesen haben, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel erst unlängst jedem, der auch nur dabei hilft, in Deutschland Steuern zu hinterziehen und sein Geld in die Schweiz zu transferieren, mit der Ausbürgerung gedroht hat. Da wird Koidl keine Steinbrück’sche Kavallerie zu fürchten haben.

Weit mehr jedoch könnten die Verbindungen des neuen Beraters zu einer Branche Anlass zur Kritik geben, die auf den ersten Blick so gar nicht zum finanzmarktkritischen Wahlkampf der Sozialdemokraten passen will. Koidl nämlich war jahrelang „Senior Advisor“, wie er selbst auf seiner Homepage bekannt gibt, des US-Hedgefonds Cerberus Global Investors LLC, New York, und in gleicher Funktion später auch für den Investment Fund Värde Partners Europe Ltd., London. Beides sind Investmentfonds, sie gehören zu jenen Institutionen, die ein sehr bekannter Sozialdemokrat namens Franz Müntefering einst als „Heuschrecken“ bezeichnet hat – ganz und gar keine sozial engagierten und interessierten Finanzunternehmungen. Eher solche, die solide Betriebe aufkaufen, finanziell aussaugen, Mitarbeiter entlassen und dann einfach wieder meistbietend irgendwo auf der Welt verkaufen. Spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 weiß jedes Kind hierzulande vom unseligen Wirken solcher Fonds. Warum also braucht ausgerechnet der ausgewiesene Finanzfachmann Peer Steinbrück nun einen Berater mit solchen Referenzen? In zwei Wochen will sich Peer Steinbrück beim Parteitag der SPD offiziell zum Kanzlerkandidaten küren lassen. Es könnte sein, dass er vorher noch einmal einräumen muss, dass es am „Fingerspitzengefühl“ gefehlt hat.

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