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Harald Martenstein.

© dpa

Martensteins Kolumne: Früher war mehr Wetter

Eine Studie zeigt: Als Bewohner von Berlin muss man jederzeit mit jedem Wetterereignis rechnen. Regen, Schnee, Sonne, alles ist immer möglich, weniges ist vorhersehbar. Harald Martenstein meint: Das gilt auch für Verkehrsbetriebe.

Der Mensch hält sich für klug, aber er irrt oft. Nach meiner Erinnerung war das Wetter in Berlin früher so: Im Sommer war es meist warm. Der Winter war eher kalt, dabei allerdings schneearm. Es lag nur an fünf bis zehn Tagen Schnee in Berlin, daran erinnere ich mich genau. Dann kam die Klimawende. Infolge der globalen Klimaerwärmung sind geheimnisvollerweise die Berliner Sommer kühler geworden, die Winter dagegen sind eisiger denn je und es schneit viel.

Dann fiel mir im Internet eine Schrift auf, eine Studie von Paul Schlaak: „Wetter in Berlin von 1962 bis 1989“. Ich habe keine Ahnung, warum der Autor ausgerechnet die Periode zwischen dem ersten vollen Jahr mit Mauer und dem Mauerfall zum Gegenstand einer Klimastudie gemacht hat und was er politisch damit sagen möchte. Jedenfalls hat es im Februar 1967 in Berlin kurz hintereinander zwei Eis-Orkane mit Todesopfern gegeben, 1967/68 lag an 88 Tagen ununterbrochen Schnee und in der Silvesternacht herrschten minus 17 Grad. Im Dezember 1975 dagegen entdeckten in Lichterfelde spielende Kinder frisch geschlüpfte Maikäfer, so heiß brezelte die Sonne. An Heiligabend 1977 waren es 16 Grad, man hätte das Wannseebad an Heiligabend öffnen können und überlegte es sogar. Das Projekt scheiterte aber, wie fast alles in Berlin, an den Überstundenregelungen des öffentlichen Dienstes.

1965 dagegen schneite es am 4. März 30 Zentimeter, und West-Berlin, das damals im Geld schwamm, stellte spontan 2000 Honorarkräfte zum Schneeschippen ein, an den Eisheiligen 1964 dagegen betrug die Temperatur 29 Grad. Am 23. April 1980 begann ein Dauerregen von 48 Stunden Dauer. Am 6. Mai 1976 ereignete sich ein kräftiges Erdbeben, die Erschütterungen wurden von den alliierten Truppen im Westteil der Stadt irrtümlich für die Einschläge russischer Artillerie gehalten, die Truppen wurden in Alarmzustand versetzt und sollten zur Abwehrschlacht Richtung Osten marschieren, fast wäre es zum Krieg gekommen.

Ich habe lange in der Schrift von Paul Schlaak gelesen, ihre Kernbotschaft ist die folgende: Als Bewohner von Berlin muss man jederzeit mit jedem Wetterereignis rechnen. Regen, Schnee, Sonne, alles ist immer möglich, weniges ist vorhersehbar. Vielleicht baden wir im März 2011 in der Havel, womöglich bauen wir im Juni wieder Schneemänner und tanzen im November nackt Hula-Hula. Wer in Berlin ein Unternehmen betreibt, das vom Wetter abhängig ist, zum Beispiel einen Verkehrsbetrieb, eine Fluglinie, eine Firma für Streusalzvertrieb, Sonnencreme oder Enteisungs-Dispatching, der muss jederzeit mit allem rechnen! Ich glaube, wenn wir Berliner uns ganz fest vornehmen, 2011 auf warmes oder kaltes Wetter vorbereitet zu sein, dann wird es ein noch besseres Jahr als 2010.

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