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Bundespräsident Christian Wulff (CDU), ein Schnäppchenjäger?

© dapd

Maß und Anmaßung: Die windigen Winkelzüge des Herrn Wulff

Was der Bundespräsident zu den Vorwürfen gegen ihn sagt, ist nie ganz falsch, aber auch nie ganz wahr - meint Gerd Nowakowski. Christian Wulff hat aus Glanz und Glamour eine Bedeutung geschöpft, hinter der sich Schnäppchenmacherei verbirgt.

Mag sein, dass die nicht endende Affäre Wulff die Menschen bewegt, weil es auch um den Verlust des guten Königs geht. Glückliches England? Nein, auch die Queen hat fürchterliche Krisen erlebt – in 60 Jahren Amtszeit. Vielleicht steigt deshalb Angela Merkel als gute Ersatz-Königin immer höher in der Gunst der Bürger, je dunkler es wird über Bellevue. Wie fern ist es, dass Bundespräsident Horst Köhler zurücktrat, weil er die Würde des Amts angegriffen sah. Jetzt gibt es nur noch das Amt.

Es liegt nicht an erwiesenem Fehlverhalten, dass nur noch 16 Prozent der Deutschen den Bundespräsidenten für ehrlich halten und erstmalig eine Mehrheit seinen Rücktritt will. Es reicht, dass Wulff nicht den moralischen Werten entspricht, die er selbst formuliert. Sein Handeln ist von windigen Winkelzügen bestimmt: Was er sagt, ist nie ganz falsch, aber auch nie ganz wahr. In diesem Graubereich ist alle Glaubwürdigkeit verloren gegangen. Das hat zur Erosion jenes Amtes beigetragen, das außer dem Wort keine Macht hat.

Längst geht es auch um das Spannungsfeld, in dem alle Politiker sich bewegen, darum, welchen Anforderungen sie genügen, welchen Anfechtungen sie widerstehen müssen. Der Wunsch nach Anstand und Abstand zu Amigos ist eindeutig. Gut, dass die sinnlose Party-Politik ins Gerede gekommen ist, die nur den Organisatoren nützt. Was Regierende für wichtig halten, soll das Land bezahlen; Privates muss selbst beglichen werden. Was geht und was nicht, ist aber nicht klarer geworden in dieser Atmosphäre des Furors der Empörung über Spezi-Wohltaten und gleichzeitig der ungläubigen Erstarrung über einen Präsidenten, der als Beamter längst suspendiert wäre. Am Ende könnte Wulffs Beharren die Messlatte für Rücktritte anheben. Wie läppisch wirkt da ein Brandenburger Bildungsminister, der 2011 abtrat, weil er eine Woche kostenlos einen Dienstwagen testete.

Unbehaglich stimmt, dass zugleich die politische Klasse unter Generalverdacht steht, anfällig für Gefälligkeiten zu sein. Demokratie lebt von der Begegnung der Politik mit gesellschaftlichen Gruppen, Lobbyisten und Unternehmern – und ja, mit den Medien. Es ist die fragende Presse, die sicherstellt, dass es keine Parallelgesellschaft gibt, in der Politik und Wirtschaft abgeschottet mauscheln. Wähler dürfen von Bürgermeistern oder Ministern erwarten, Kontakte zu pflegen, wenn es den Interessen der Öffentlichkeit nutzt. Nicht über jedes Glas Wein müssen Politiker eine Transparenzerklärung abgeben. Wer aber von Party-König Schmidt eine Karte für Real Madrid bekommt, wie der grüne Politiker Cem Özdemir, soll hinterher nicht unschuldig tun über den Preis, auch den politischen.

Die Gewählten müssen ihrer Rolle angemessen handeln. Dem ist der erste Bürger der Republik nicht gerecht geworden. Die Erwartungen an ihn sind andere als an einen Bürgermeister, an einen Ministerpräsidenten. Statt Aufrichtigkeit hat Wulff provinzielle Dreistigkeit nach Berlin gebracht; hat aus Glanz und Glamour eine Bedeutung geschöpft, hinter der sich Schnäppchenmacherei verbarg. Wer Fehler eingesteht und Transparenz verspricht, dann aber Aufklärung nicht liefert, hat das Vertrauen verspielt. In der Agonie wird die Münze der Anwürfe immer kleiner. Wulff mag sich noch einbilden, er könne seine Amtszeit erfolgreich zu Ende bringen. Ein Präsident aber, der nur noch über seine Anwälte mit seinem Volk spricht, ist kaum vorstellbar.

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