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Der künftige Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Matthias Zimmer.

© imago/Metodi Popow

Matthias Zimmer statt Erika Steinbach: Ein Frankfurter mit Kanada-Hintergrund

Der neue Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses könnte für eine Wende der CDU-Politik auf diesem Feld stehen.

Bis zu ihrem lauten Abschied aus Fraktion und Partei vor zwei Wochen bestimmte Erika Steinbach die Menschenrechtspolitik der Union im Bundestag, die Frau von der äußersten rechten Flügelspitze der CDU. Matthias Zimmer hat sein Büro direkt neben ihr, seinen Wahlkreis in derselben Stadt, Frankfurt am Main, und wurde direkt gewählt wie Steinbach. Aber politisch dürfte er Meilen von ihr entfernt sein.

Der 55 Jahre alte gebürtige Marburger sammelte als Student schockierende Eindrücke im deindustrialisierten „Rostgürtel“ der USA, beschäftigte sich als Politikwissenschaftler später mit dem CDU-Sozialreformer Jakob Kaiser und ist heute Vizechef der CDU-Sozialausschüsse im Bundestag, der früher als Herz-Jesu-Marxist verspotteten Unionslinken. In den 1990er Jahren lebten Zimmer und seine Familie vier Jahre lang in Kanada, dessen offizielle Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt er auf seiner Website als Voraussetzungen eines „lebendigen Landes“ rühmt und dabei nicht einmal das Reizwort „multikulturell“ scheut.

Dass dieser so ganz andere Frankfurter jetzt Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe wird, könnte also eine Neuausrichtung der konservativen Unionslinie bedeuten. Steinbachs Nachfolger ist er zwar nicht, das ist Michael Brand, der bisherige Ausschussvorsitzende, der der nunmehr Fraktionslosen als Sprecher für Menschenrechtspolitik nachfolgt. Dennoch hoffen Bundestagskollegen wie der Grüne Tom Koenigs auf ein neues und positives Klima und darauf, dass die „Union anfängt, sich für mehr als nur für die Menschenrechte verfolgter Christen zu interessieren“.

Mit vielen Unionsleuten sei man natürlich unterschiedlicher Auffassung, aber mit ihnen könne man reden. Das sei mit Erika Steinbach nicht möglich gewesen. Steinbachs Unversöhnlichkeit habe verhindert, „dass es auch nur eine einzige gemeinsame Resolution im Ausschuss gab“, nicht einmal im Fall des in Saudi-Arabien ausgepeitschten Dissidenten Raif Badawi sei dies möglich gewesen.

Ihr letzter großer Kampf galt der Rechtsgrundlage für Deutschlands nationale Menschenrechtsinstitution, das Deutsche Institut für Menschenrechte. Die notwendige Rechtsgrundlage für das Institut, ein Gesetz, versuchte Steinbach daran zu knüpfen, die kritische Rolle des Instituts in der deutschen Innenpolitik - es stellt sich zum Beispiel gegen institutionellen Rassismus - möglichst zu beschneiden.

Ob Steinbach, die im Ausschuss bleiben will, ihre Rolle als „böse Hyäne“ (Koenigs) weiter spielen könne, bleibe abzuwarten, sagt der Grünen-Politiker. Gut möglich, dass die Verbitterung der Ex-Kollegen dem entgegensteht. Zimmer jedenfalls rief ihr zum Abschied von der Partei harte Worte hinterher: Ihr mangele es an „Loyalität, Stil und Anstand“, an Maß und Mitte, und wenn sie die AfD Fleisch vom Fleische der CDU nenne, habe sie ihre alte Partei offenbar grotesk missverstanden. Klingt eher nach Bruch als nach Kontinuität.

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