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Auch bei der Handball-WM in Schweden verleihen die Tunesier ihrer Freude über die Flucht von Präsident Ben Ali Ausdruck.

© dpa

Matthies meint: Goldbarren im Gepäck

Mit 1,5 Tonnen Gold ist der geflohene tunesische Präsident Ben Ali unterwegs. Von Erich Honecker kann er lernen, dass Brandenburg nicht der geeignete Ort für das Ende seiner Odyssee wäre. Eine Glosse.

Diktatoren sind auch nur Menschen. Sie ärgern sich mit dem Personal herum, suchen verzweifelt nach halbwegs profitablen Geldanlagen und leben ewig in der Sorge, das Diktiergerät könnte versagen und ihrer Herrschaft ein abruptes Ende setzen. Manchmal tritt das tatsächlich ein, dann erkennen wir den qualifizierten Diktator daran, dass er sich und seinen Lieben einen stilvollen Abgang verschafft – was der Durchschnittsmensch auswandern nennt, heißt bei ihm „ins Exil gehen“.

In diesem Sinn hat der tunesische Präsident Ben Ali alles richtig gemacht. Sogar von einem geheimen Fluchttunnel ist die Rede, der vom Palast zu einem Hubschrauberlandeplatz in Karthago führte. Die Gattin hat noch kurz vorher bei ihrem Geldinstitut vorgesprochen und 1,5 Tonnen Gold für die Reisespesen mitgenommen, vermutlich mithilfe ihrer imposanten Sammlung von Hermès-Handtaschen. Ob sie auch hinsichtlich ihres Schuhbestandes in die Imelda-Liga gehört, ist noch unbekannt, dafür hat ihr Schwiegersohn im Garten einen Tiger gehalten, der täglich vier Hühner verspeiste; Desserts flog man aus Frankreich ein, was ja nur einen Katzensprung übers Mittelmeer liegt.

Experten nehmen nun an, dass der Aufenthalt in der Familie in Dschidda eine Interimslösung darstellt. Später ist eine Odyssee zu erwarten ähnlich jener, die Erich Honecker erst nach Lobetal und dann nach Santiago de Chile führte. Das Tragische am Diktator ist ja, dass ihn niemand mehr haben will, wenn seine Macht verflogen ist. Deshalb darf man vermuten, dass der Norden Brandenburgs im Fall Ben Ali keine, wie wir heute sagen, tragfähige Option darstellt.

Aber Honecker war ja auch kein richtiger Diktator. Ihn kann man sich nicht mit einem hühnerfressenden Tiger vorstellen, es reichte bekanntlich, wenn ihm seine Leute nach der Jagd in der Schorfheide aufgetaute Hasen hinlegten. Geld und Gold kümmerten ihn nicht, er hätte sich schon im Porsche von Klaus Ernst irgendwie falsch untergebracht gefühlt.

Ja, auch das kapitalistische Deutschland hat seine Skandale. Aber es bewältigt sie anders, wie wir am bayerischen Bankenskandal sehen: Die Verantwortlichen bleiben, nur das Geld ist weg. Es scheint, dass die Ben Alis nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit sind.

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