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Nach dem Super-Wahlsonntag gehen bei der FDP die Warnleuchten an.

© Reuters

Matthies meint: Voller Erkenntnis steil nach oben

Bernd Matthies vergleicht die FDP mit einem Bungee-Springer, der sich grob verschätzt hat: Kurz vor dem Aufprall ist der Lerneffekt am größten.

Es ist mangels Pressekonferenz nicht exakt überliefert, ob Max Schmeling der Öffentlichkeit etwas mitteilen ließ, nachdem er von Joe Louis 1938 mehrfach auf die Zwölf bekommen hatte. Heute würde er zweifellos in alle Kameras sagen: „Wir haben verstanden.“ Und das schon nach jedem einzelnen Schlag.

Natürlich nur, falls ihm Guido Westerwelle die Nutzungsrechte an diesem Satz überließe. „Wir haben verstanden“ ist zum Credo des unverhofften, selbst verschuldeten Absturzes geworden, es ist der Satz, der auch einem Bungee-Springer in den Sinn käme, wenn er auf halbem Weg merkt, dass das Seil zu lang ist. Ah, denkt er, klar, das mit dem Ausmessen habe ich jetzt verstanden.

Der Satz klingt gelassen, abwägend, entwirft eine Perspektive für das weitere Handeln. Noch ist es nicht zu spät, das Ruder herumzureißen, lautet seine Botschaft. Aus der Sicht des Bungee-Springers: Jetzt titsche ich kurz unten auf, und dann geht es, gesättigt mit Erkenntnis, wieder steil nach oben.

Die Suche nach der Herkunft dieser Aussage führt uns ins Jahr 1994 zu Opel. „Wir haben verstanden“ war die zentrale Werbebotschaft des Autoherstellers in dieser Zeit, und die gute Nachricht für die FDP lautet: Es gibt Opel auch heute noch, mehrere Legislaturperioden danach. Die schlechte Nachricht ist allerdings: Die Firma ist später ziemlich hart auf dem Boden der Talsohle aufgeprallt, hat Modelle wie den Sintra produziert, der in der deutschen Automobilhistorie eine ähnliche Position einnimmt wie Birgit Homburger in der Politikgeschichte, nur etwas größer.

„Wir haben verstanden“ ging später in die Managersprache über und wird nun immer dann eingesetzt, wenn die Kundenbeschwerden überhand nehmen. „Klar“, sagt der Leiter des überlasteten Call-Centers, „wir haben verstanden“, bevor er die andere Hälfte der Mitarbeiter auch noch auf die Straße wirft. Kein gutes Omen für die FDP.

Möglicherweise unterschätzen wir aber Westerwelle, wie wir ihn oft unterschätzen – und es ist in Wirklichkeit so, dass er seinen Satz nur falsch betont. „Wir haben verstanden“ meint er in Wirklichkeit, wir, die Strategen der FDP und nicht ihr doofen Wähler oder die unterbelichteten Vögel von den anderen Parteien. Das würde heißen, dass sich die freidemokratische Sicht der Dinge, welche auch immer es sein mag, auf lange Sicht durchsetzt. Ihr werdet schon sehen! Es wäre allerdings ziemlich tragisch, wenn es dann überhaupt keine FDP mehr gäbe.

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