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Maueropfer: Das Leben der Toten

136 Tote an der Mauer: Angesichts der einzelnen Schicksale schrumpft der Streit um die Zahl zur Posse.

Von Matthias Schlegel

Es ist zu bezweifeln, dass das jetzt vorgelegte Forschungsprojekt zu den Toten an der Berliner Mauer den jahrelangen Streit über das Thema beendet. Viel Sachverstand und enormer Rechercheaufwand sind in das akribische Projekt eingeflossen. Doch weil es zugleich um die Deutungshoheit über das Mauermonstrum, um institutionelle Reputation und um emotional hoch belastete historische Sachverhalte geht, dürfte das letzte Wort zwischen all denen, die die Opfer an der Mauer dokumentieren, noch nicht gesprochen sein. Da wird dann um Details gerungen und darum, welche Toten in die Auflistung hineinzurechnen sind und welche nicht. Dabei ist doch der eigentliche Wert dieses Forschungsprojektes ein ganz anderer: Indem die Autoren ausführlich auf die Umstände des Todes von allen 136 Maueropfern eingehen, ihr Sterben einbetten in die Mechanismen der Macht, wird Zeitgeschichte anhand persönlicher Schicksale aufgeblättert. Da offenbart sich das kalte Funktionieren eines Repressionsapparats, der seine Bürger einsperrte und nicht davor zurückschreckte, sie zu vernichten, wenn sie das nicht akzeptierten. Angesichts solch atemberaubender Geschichtslektionen schrumpft der Streit um Zahlen zur unwürdigen Posse.sc

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