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Meinung: Mehdorn auf einsamen Bahnen Zur Kritik am Preissystem kommen streikende Lokführer

Die gute Nachricht: Über die Osterfeiertage, eine Hauptreisezeit, müssen die Deutschen keine Streiks bei der Bahn fürchten. Die schlechte: danach umso sicherer.

Die gute Nachricht: Über die Osterfeiertage, eine Hauptreisezeit, müssen die Deutschen keine Streiks bei der Bahn fürchten. Die schlechte: danach umso sicherer. Die Bürger sind schon jetzt nicht gut auf die Bahn zu sprechen, immer mehr Kunden verzichten auf ihre Dienste. Da kann Unternehmenschef Hartmut Mehdorn noch so oft eine schöne neue Bahnwelt ausmalen. Und der Streik wird die Probleme der Bahn weiter verschärfen. Die kleinste der Bahngewerkschaften, die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), will ihrer Forderung nach einem Spartentarifvertrag Nachdruck verleihen. Wieder einmal wird es heißen, auf die Bahn könne man sich im Zweifel nicht verlassen.

Es ist aber vor allem die Bahn selbst, die ihr Image beschädigt hat. In der Art und Weise, wie Mehdorn Kritik an dem neuen Preissystem der Bahn zurückwies, erkannten viele Verbraucher den Schaffner oder Schalterbeamten wieder, der sie zuletzt mal wieder schlecht beraten oder als Bittsteller behandelt hatte.

Natürlich musste Mehdorn das neue Preissystem zunächst kompromisslos verteidigen. Ein Einknicken des Bahnchefs bereits kurz nach Einführung des neuen Preissystems hätte wahrscheinlich das schnelle Aus für das System bedeutet. Das wäre schlecht gewesen, denn eine Reform der Bahntarife war dringend nötig. Seit Jahren stagniert die Bahn. Mehr Fahrgäste, das erklärte Ziel der Privatisierung der Bahn Anfang der 90er Jahre, gab es nicht. Daher musste die Bahn nach Anreizen suchen, mehr Leute auf die Schiene zu bringen. Das sicherste Mittel sind günstige Preise. Und das ist der größte Vorteil des neuen Preissystems – große Rabatte für Fahrgäste, die früh buchen und sich auf bestimmte Züge festlegen. Auch Familien können so günstig wie schon lange nicht mehr mit der Bahn unterwegs sein.

Doch ein Problem hat Mehdorn offenbar unterschätzt: Vom theoretischen Ansatz her ist das neue Preissystem recht einfach, aber das gilt nicht für die Praxis. In der Wirklichkeit des Ticketkaufs am Automaten oder Schalter hakt es gewaltig. Jüngster Beweis dafür ist die Kritik der Reisebüros, die für rund ein Viertel des Fahrkartenumsatzes der Bahn stehen. Sie beklagen Umsatzeinbußen von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Grund für den schleppenden Absatz sei vor allem das neue Preissystem, sagen die Reisebüros. Es sei viel zu kompliziert.

Sie haben Recht. Um an Rabatte zu kommen, müssen Kunden nicht nur früh buchen. Sie müssen sich auch die Fahrzeiten genau anschauen. Mit Hilfe des Preissystems will die Bahn die Auslastung ihrer Züge steuern. Die Preise können deshalb schon stark variieren, wenn ein Kunde fünf Minuten früher oder später fahren will. Um an die größten Rabatte zu kommen, müssen Fahrgäste auf manchen beliebten Verbindungen auch zu großen Umwegen oder Wartezeiten bereit sein. Sie sind es offensichtlich nicht, wie die bisher bekannt gewordenen Zahlen zeigen. Oder haben einfach keine Lust, stundenlang mögliche Verbindungen zu vergleichen.

Mehdorn ist bekannt dafür, dass er Entscheidungen treffen und durchsetzen kann. Jetzt muss er beweisen, dass er auch Fehleinschätzungen korrigieren kann. Das neue Preissystem muss von vielen seiner Zusatzbedingungen befreit und wirklich einfach werden. Für Mai und Juni sind Gespräche zwischen Mehdorn und Bahnkritikern vereinbart. Es wäre besser, sie möglichst früh zu führen. Dann könnten einige Korrekturen am Preissystem schon zur nächsten großen Reisezeit greifen, zum Sommer.

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