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Meinung: Mehr Symbole statt mehr Soldaten

Mit ihrem Afghanistankonzept versucht die Bundesregierung es allen recht zu machen: Zielstrebigkeit sieht anders aus

Von Hans Monath

W o es um Afghanistan geht, da genügt in der Regierung die Stimme der Kanzlerin alleine längst nicht mehr. Neben Angela Merkel traten am Dienstag auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vor die Presse, um ihre Verdienste am neuen deutschen Konzept für das Bürgerkriegsland hervorzuheben, mit dem die Koalition die Londoner Afghanistankonferenz bestehen will.

Der Weg zum gemeinsamen Papier war schwierig: Selten zuvor hat eine Bundesregierung vor einer bedeutenden internationalen Zusammenkunft so lange um eine Lösung gerungen und bis hin zum letzten Tag unterschiedliche, teils widersprüchliche Signale und Nachrichten in die Welt gesetzt. Zielstrebigkeit und konzeptionelle Souveränität sieht jedenfalls anders aus. Der Druck von außen auf die Koalition war hoch, der Druck von innen war es auch.

Das neue Konzept ist denn auch das Ergebnis eines Versuchs, es allen Seiten recht zu machen. Da ist sind zum einen die deutschen Wähler, die immer skeptischer auf die Bundeswehrmission am Hindukusch schauen, je öfter sie von Anschlägen und Gefallenen hören. Da ist auf der anderen Seite Präsident Barack Obama, der mit der Aufstockung der US-Truppen in Afghanistan um 30 000 Soldaten Erwartungen aufgebaut hat, denen sich keine deutsche Regierung entziehen kann. Und da sind Konkurrenten im Kabinett wie die Minister Westerwelle und Guttenberg, die einander nicht das Schwarze unterm Fingernagel gönnen und ihre eigene Agenda verfolgen.

Entscheidend war auch die Rolle der Oppositionspartei SPD, deren weitere Zustimmung zu einem veränderten Mandat für die Regierung ebenso wichtig ist wie für die Soldaten in Afghanistan und für die außenpolitische Berechenbarkeit des ganzen Landes. Gegen eine von Sigmar Gabriel auf Konfrontation zum Afghanistaneinsatz gepolte SPD, das war der Kanzlerin klar, wäre die eigene Mehrheit im Bundestag nicht mehr lange eine stabile Stütze.

Für die Amerikaner und für die neue Strategie mehr Soldaten, für Afghanistan eine Verdoppelung der zivilen Mittel und für die zunehmend kritischen Deutschen endlich ganz offiziell das Versprechen einer Abzugsperspektive – so sieht der Kompromiss aus. Die Regierung immunisiert sich gegen die von der SPD erhobene Forderung nach konkreten Daten für ein Ende, indem sie in den Prozess einsteigt und versucht, ihn zu steuern. Nebenbei soll so Druck auf Kabul aufgebaut werden, den eigenen Aufgaben endlich nachzukommen.

Der ehemalige UN-Beauftragte für Afghanistan, der Grünen-Abgeordnete Tom Koenigs, hat kürzlich darauf hingewiesen, dass Deutschland gerade einmal vier bis fünf Prozent aller in Afghanistan eingesetzten internationalen Soldaten stellt, weshalb die Debatte über die Aufstockung des Mandats vor allem symbolischer Natur sei. Geführt werden muss die Debatte über Afghanistan trotzdem jeden Tag. Auch dann, wenn die Londoner Konferenz längst vorüber ist.

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