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MEIN Blick: Europa ist keine Frage von Krieg und Frieden Die Krise löst man nicht mit einem Totschlagargument

Da war es wieder, das Mantra: Europa ist eine Frage von Krieg und Frieden. Bei allem Respekt vor der Lebensleistung Helmut Kohls an seinem 80.

Da war es wieder, das Mantra: Europa ist eine Frage von Krieg und Frieden. Bei allem Respekt vor der Lebensleistung Helmut Kohls an seinem 80. Geburtstag – der von ihm so beschwörend ausgestoßene Satz ist einfach falsch. Oder glaubt wirklich jemand, dass französische Panzer über den Rhein gerollt wären, wenn die Kanzlerin dem Rettungspaket für Griechenland und andere so nicht zugestimmt hätte? Was 1950 richtig war, 1960 noch seine Berechtigung hatte und 1990 bei der Wiedervereinigung aus subjektiv französischer Sicht Sinn machte, wird allmählich zur Leerformel, genau wie Angela Merkels „Es gab keine Alternative“.

Schon die Vorstellung ist absurd, zumal es für einen Krieg zwischen den europäischen Partnern noch nicht einmal Befehlsstränge gäbe, geschweige denn Menschen und Material. Es ist deshalb gefährlich, der zögerlichen Skepsis der Menschen, ob das denn auch alles gut durchdacht sei, mit dem Totschlagargument von Krieg und Frieden zu begegnen. Das erste Mal seit Gründung der Bundesrepublik macht in diesem Lande wieder die Furcht vor einer Inflation die Runde, fragen viele Lohn-, Gehalts- und Rentenempfänger nach Möglichkeiten zur Sicherung ihrer wenigen Ersparnisse. Die Deutschen haben den Euro schließlich akzeptiert, weil die Regierenden ihnen versicherten, dass es ein Euro nach deutscher Machart, mit deutscher Stabilitätskultur sei.

Damit ist es seit dem 10. Mai vorbei. Wie sagte Sarkozy so treffend: Das Rettungspaket entspricht zu 95 Prozent französischen Vorstellungen. Dass die deutsche Kanzlerin am Ende diesen Kurs alternativlos fand, hat wohl mehr mit der deutschen Vergangenheit als mit neuen währungspolitischen Einsichten zu tun. Zu bedenklich schien ihr die Isolierung, zu schrecklich wohl auch die Vorstellung von einem starken Deutschland gegen den Rest Europas. Hatten doch schon einige griechische Politiker der störrischen deutschen Staatsfrau mit Reparationsforderungen gedroht. Doch dieser Rückgriff auf historische Bilder und Konstellationen birgt Gefahren. 65 Jahre nach Kriegsende dürfte es schwer werden, inflationsbedingte Wohlstandsverluste als notwendiges deutsches Sonderopfer auf dem Altar der europäischen Solidarität zu verkaufen.

Wenn die politischen Eliten dem Ganzen einen Sinn geben wollen, müssen sie für die Menschen nachvollziehbar das deutsche Interesse an einer milliardenschweren Rettung anderer erklären. Nicht der Frieden steht auf dem Spiel, sondern der deutsche Export und Arbeitsplätze. Es mag ja sein, dass die Risiken des Nichthelfens noch größer sind als die einer weiteren Verschuldung Deutschlands, aber nur deshalb, weil deutsche Arbeitsplätze an einem zahlungsfähigen Spanien, Portugal oder Griechenland hängen, und nicht weil es in Deutschland vor langer Zeit einmal Adolf Hitler gab.

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