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MEIN Blick: Zu Tina gibt es immer eine Alternative Übertreibungen sind Vorboten des Scheiterns

Erinnern Sie sich noch? In Großbritannien nannte man die frühere Premierministerin Margaret Thatcher meist spöttisch Tina, abgeleitet von ihrer Lieblingswendung: „There is no alternative“.

Erinnern Sie sich noch? In Großbritannien nannte man die frühere Premierministerin Margaret Thatcher meist spöttisch Tina, abgeleitet von ihrer Lieblingswendung: „There is no alternative“. Für sie gab es auch keine. Doch ob die Politik der Dame mit der Handtasche tatsächlich alternativlos war, bleibt eine offene Frage. Denn der Entmachtung der Gewerkschaften steht als „Erfolg“ einer vermeintlich alternativlosen Politik die komplette Deindustrialisierung des Landes zur Seite. Nicht nur Kohle und Stahl, sondern auch den Fahrzeugbau und die Werkzeugmaschinenindustrie hat die eiserne Lady ruiniert. England verdient heute sein Geld mit Finanzdienstleistungen und zwar fast ausschließlich – kein Erfolgsrezept in einer Finanzkrise.

In Deutschland ist man aus guten historischen Gründen gegenüber einer alternativlosen Rhetorik skeptisch. Dabei muss man nicht gleich das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte aufschlagen, damit die Warnleuchten angehen. Auch für den Kaiser und seine Generale gab es zum Siegfrieden keine Alternative bis die Realität den Waffenstillstand zum ungeeignetsten Zeitpunkt erzwang. Und zehn Jahre später galt auch die Brüning’sche Sparpolitik als angeblich alternativlos. Bis sich die neuen Herren weder um das Sparen noch um die Erfüllung außenpolitischer Verpflichtungen scherten. Wenn also die Kanzlerin das Fortbestehen Europas an den Euro kettet und diesen in seinem heutigen Bestand für alternativlos erklärt, ist Vorsicht geboten, zumal wenn Kommissionspräsident Manuel Barroso den Preis für die Rettung des Ganzen auf „koste es, was es wolle“ hochtreibt.

Solche rhetorischen Übertreibungen waren in der deutschen Geschichte oftmals Vorboten eines baldigen Scheiterns. Denn Politik ist eben niemals alternativlos, sondern hat, wenn es eine kluge Politik ist, immer mehrere Pfeile im Köcher oder – moderner ausgedrückt – hält sich mehrere Optionen offen. Ausgerechnet Bismarck, das Urbild des eisernen Kanzler in Kürassieruniform, hat viel später als sich die deutsche Einheit „alternativlos“ vollzogen zu haben schien, über diese Kunst der Optionen gesagt: „Der Staatsmann gleicht einem Wanderer im Walde, der die Richtung seines Marsches kennt, aber nicht den Punkt, an dem er aus dem Forste heraustreten wird … Ich hätte jede Lösung mit Freuden ergriffen, welche uns ohne Krieg der Vergrößerung Preußens und der Einheit Deutschlands zuführte. Viele Wege führten zu meinem Ziel – ich musste der Reihe nach einen nach dem anderen einschlagen, den gefährlichsten zuletzt. Einförmigkeit war nicht meine Sache.“

Vielleicht sollten die deutsche Kanzlerin und der portugiesische Kommissionspräsident zur Abwechslung einmal Bismarck lesen, bevor sie den nächsten Rettungsschirm wieder als alternativlos ausgeben.

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