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MEIN Blick: Der Mehltau des Alternativlosen Gauck wird die Andersdenkenden verteidigen müssen

Es ist schon komisch, wie – noch ehe der Bundespräsident Gauck in Schloss Bellevue installiert ist – die früheren Reden des Kandidaten Gauck daraufhin abgeklopft werden, wessen Deutungshoheit in dieser ganz großen Koalition am Ende triumphieren wird. Für oder gegen Sarrazin, für oder gegen soziale Gerechtigkeit, für oder gegen Inklusion des Fremden, Widerständigen.

Es ist schon komisch, wie – noch ehe der Bundespräsident Gauck in Schloss Bellevue installiert ist – die früheren Reden des Kandidaten Gauck daraufhin abgeklopft werden, wessen Deutungshoheit in dieser ganz großen Koalition am Ende triumphieren wird. Für oder gegen Sarrazin, für oder gegen soziale Gerechtigkeit, für oder gegen Inklusion des Fremden, Widerständigen.

Dabei wird schnell deutlich, wer neben der Linkspartei die größten Probleme mit einer eigenständigen Persönlichkeit in Schloss Bellevue haben wird – es ist die Kanzlerin. Denn der Ausfall ihrer bisherigen Kandidaten hat dazu geführt, dass sie selbst in die Rolle der unanfechtbaren, fast über den Parteien stehenden ersten Frau im Staate geschlüpft ist.

Und tatsächlich wirkt das angeblich Alternativlose der Merkel’schen Politik peinlich präsidial. SPD und Grüne tun sich schwer, die Kanzlerin noch als politische Gegnerin auszumachen, da von der Energiewende bis zur Euro-Rettung alle im selben Boot sitzen und nur Unaufgeklärte oder noch Schlimmere nach Alternativen zu dieser merkwürdigen Alternativlosigkeit suchen. Dabei ist es nicht gut, dass 60 Prozent mehr oder minder skeptische EuroZweifler im Parlament nur von wenigen Abgeordneten ohne Einfluss auf den Gang der Dinge repräsentiert werden. Es wird also Aufgabe des neuen Bundespräsidenten sein, diese Alternativen im politischen Raum sichtbar zu machen. Es mag ja sein, dass er nur ein Thema hat, wie die Kanzlerin gegen den Kandidaten einwandte, aber dieses Thema hat viele Facetten. Denn was ist das für ein seltsamer Freiheitsbegriff, wenn nun das Bundesverfassungsgericht – zum wievielten Male eigentlich? – das Parlament dazu anhalten muss, seinen Aufgaben nachzukommen?

In der Republik beginnt sich, forciert von der Kanzlerin und geschützt durch die Kategorie des politisch Korrekten, der Mehltau des angeblich Alternativlosen über alles und jedes zu legen. Das gilt für Euro-Rettung und Klimawandel, Energiewende und Sarrazin-Debatte. Die Freiheit, eine andere als die von CDU, SPD und Grünen vertretene Meinung zu haben und damit nicht auf irgendeiner moralischen Anklagebank zu landen, ist kein Thema von gestern, etwa ein Überbleibsel aus der Honecker-Zeit, an dem sich der ehemalige Bürgerrechtler abarbeiten möchte, sondern es ist ein Teil gegenwärtiger Gefährdung durch eine Politik ohne Alternativen in Parlament und Parteien.

Joachim Gauck muss sich kein neues Thema suchen, denn alles, was er angeblich nicht kann – von der Ökologie bis zum Multikulturalismus – ist längst Mainstream und bedarf eher der Korrektur als der Ermunterung, der Sicherung der Freiheit der Andersdenkenden à la Rosa Luxemburg und nicht des Noch-mehr-davon. Ein Bundespräsident Gauck muss die Freiheit des Einzelnen wie des Ganzen gegen alle möglichen Zumutungen von Lobbygruppen und Partikularinteressen stärken, seien es auch Solarzellenproduzenten oder Einwandererverbände.

Nichts ist gut in Afghanistan, lautete das apodiktische Urteil Margot Käßmanns. Für die Bundesrepublik möchte man hinzufügen, dass es nicht so gut ist, dass das Freiheitspathos eines ostdeutschen Christenmenschen für dieses Land nicht von Vorteil sein könnte. Die Kanzlerin aber wird sich daran gewöhnen müssen, dass der Bundespräsident sie künftig nicht nur ergänzt, sondern ihr auch einmal widerspricht.

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