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Menschenverachtend: Roma-Abschiebungen: Aus den Augen – ohne Sinn

Massenabschiebungen von Roma innerhalb der Europäischen Union sind falsch und menschenverachtend. Ein Kommentar.

Auch Deutsche sind Ausländer – fast überall auf der Welt. So lautet ein beliebter Slogan, der den Sinn für die Mühen der Integration schärfen soll. Während Deutschland sich an den Sarrazin-Thesen abarbeitet und wieder einmal über den Stand der Integration all jener nachdenkt, die schon sehr lange hier sind und trotzdem fremd erscheinen, droht eine andere Gruppe aus dem Blick zu geraten: die Roma. Mit ihnen will kaum einer etwas zu tun haben, egal wo sie sich in Europa aufhalten. Integration ist für sie tatsächlich häufig ein Fremdwort. Und doch muss gelten: Auch die Roma sind EU-Bürger – und zwar überall in der Europäischen Union.

Das bedeutet erstens, dass die aus der EU stammenden Roma sich überall in der Union frei bewegen können. Und es heißt zweitens, dass die Integration der Roma, so schwierig sie auch sein mag, eine Aufgabe für alle Mitgliedsländer ist: für ihre Herkunftsstaaten, die meist im Osten liegen, und die Aufnahmeländer. Zu ihnen gehören unter anderem Frankreich, Italien und nicht zuletzt auch Deutschland.

Häufig leben Roma in Europa am Rand der Gesellschaft – in Parallelgesellschaften, die diesen Namen tatsächlich verdienen. Diejenigen unter ihnen, die den sozialen Aufstieg nicht geschafft haben, sind darauf angewiesen, sich etwa als Handlanger oder Altmetallsammler über Wasser zu halten. Um diese in Europa herumziehende Minderheit geht es in der Diskussion, die Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy in diesem Sommer kräftig angeheizt hat. Weil er mit der Debatte von den politischen Affären im eigenen Lager ablenken will, ist auch zu befürchten, dass das am Montag geplante Arbeitstreffen, bei dem in Paris das Thema der illegalen Einwanderung mit europäischen Partnern erörtert werden soll, zur reinen innenpolitischen Show verkommt.

Die Roma haben in der Öffentlichkeit kaum eine Lobby. Deshalb hat Sarkozy bis vor kurzem mit der Räumung der wilden Lager leichtes Spiel gehabt – bis sich ihm Kirchenleute, die Opposition und Leute aus dem eigenen politischen Lager in den Weg stellten. Mit seiner brachialen Abschiebepolitik hat Frankreichs Staatschef nun auch die EU-Kommission auf den Plan gerufen: Kommissarin Viviane Reding ließ durchblicken, dass sie dem Präsidenten seine Law-and-Order-Politik nicht so ohne Weiteres durchgehen lassen will. Redings Vorsicht ist begründet, denn es ist nicht ganz einfach, dem französischen Staatsoberhaupt einen Verstoß gegen die EU-Freizügigkeitsregeln nachzuweisen. Und doch ist es gut, dass Brüssel nach einigem Zögern Flagge zeigt. Schließlich gilt in den meisten EU-Staaten die Grundrechte-Charta. Und mit dieser ist der menschenunwürdige Umgang mit den Roma kaum in Übereinklang zu bringen.

Dabei ist Sarkozy keineswegs der Einzige in Europa, der im Umgang mit den Roma nicht viel Federlesens macht. Die laufende Rückführung von Roma-Flüchtlingen aus Deutschland in das Kosovo wirft die Frage auf: Wird hier auch wirklich jeder Einzelfall geprüft?

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