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Merkel nach der NRW-Wahl: Abschied von sich selbst

W as wir an diesem Wochenende erlebt haben, ist mehr als nur die Abwahl einer Regierungskoalition in einem, wenn auch bedeutenden, Bundesland. Ja, es ist sogar mehr als die Abwehrreaktion der europäischen Regierungen auf einen Angriff der Finanzspekulanten auf den Euro.

Von Antje Sirleschtov

W as wir an diesem Wochenende erlebt haben, ist mehr als nur die Abwahl einer Regierungskoalition in einem, wenn auch bedeutenden, Bundesland. Ja, es ist sogar mehr als die Abwehrreaktion der europäischen Regierungen auf einen Angriff der Finanzspekulanten auf den Euro. Deutschland hat an diesem Wochenende die Grenzen des Systems gesehen. Die Grenzen des nationalen Wohlstandes, der untrennbar mit der Stabilität unserer Währung verbunden ist. Genauso wie die Grenzen einer schwarz-gelben Regierung, die sich seit ihrer Geburtsstunde um eine ehrliche Antwort auf die Frage herumzudrücken versucht, wohin sie dieses Land führen will und wofür sie gewählt wurde.

Ein jeder spürt in diesen Tagen, wie eng das eine am anderen hängt: die Sicherung des freiheitlichen und der sozialen Marktwirtschaft verpflichteten Systems und die Fähigkeit des Bündnisses von Union und FDP, das Land in den nächsten Jahren zu regieren. Es ist die Zeit der Bundeskanzlerin. Von ihr darf man erwarten, dass sie den Menschen das Gefühl von Sicherheit und Zukunft nicht nur vermittelt, sondern es ihnen auch geben kann. Umso mehr, als von jetzt an mindestens ein weiterer Koalitionspartner, wenn auch nicht offen, mit am Kabinettstisch sitzen wird. Denn über den Bundesrat wird Angela Merkel künftig ihre Politik nicht mehr nur zwischen den Interessen von CDU, CSU und FDP zu gestalten haben. Was schon schwierig genug ist. Auch die Sozialdemokraten, ja vielleicht sogar Grüne und Linke, werden ein Wörtchen mitzureden haben. Die ersten Auswirkungen sind sichtbar: Merkel nimmt Abschied davon, die Steuern zu senken.

Ein erster Hinweis der Regierungschefin darauf, dass sie in diesen entscheidenden Zeiten die Rolle der Politikmoderatorin aufgeben und das Heft des Handelns in die Hand nehmen will? Merkel hat nur nachvollzogen, was jeder weiß und was politisch ohnehin mausetot ist: Dies ist nicht die Zeit des Steuersenkens. Aber das deutlich: Sie hat endlich „ich“ gesagt. Nun müssen weitere Schritte folgen – sie muss sagen, was sie statt der Steuersenkungen will.

Angela Merkels – erstaunlich erfolgreiches – System der Macht hat bisher sehr viel mit Warten auf den richtigen Augenblick und Austarieren der widerstreitenden Kräfte zu tun gehabt. Nun ist auch dieses System an seine Grenze gelangt.

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