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Dass Kanzlerin Merkel beim Schuldenabbau in Europa eine Vorreiterrolle übernommen hat, darf ihr nicht den Blick darauf versperren, dass andere EU-Mitglieder es mit der Etatdisziplin nicht so genau nehmen können.

© dpa

Merkel und der Euro: Der Fiskalpakt ist nicht mehr als ein Stück Papier

Mit Blick auf die Märkte bemühen sich Europas Staatenlenker um ein optimistisches Stimmungsbild. Mit der Realität in vielen Euro-Ländern hat das wenig zu tun.

Es klingt zu schön, um wahr zu sein. Die Euro-Krise verliert ihren Schrecken, die Anleihezinsen für Italien, Spanien und andere südeuropäische Staaten sinken, und Europa gewinnt durch eiserne Etatdisziplin weltweit erneut das Vertrauen der Investoren. So ungefähr sieht das optimistische Stimmungsbild aus, das Europas Staatenlenker beim Gipfel in Brüssel zeichnen wollten. Doch das Bild täuscht: Europa hat nach wie vor mit gewaltigen Risiken bei der Euro-Rettung zu kämpfen. Diese Risiken trägt nicht zuletzt Europas größte Volkswirtschaft – und damit auch Angela Merkel.

Ob der schlimmste Teil der Krise überstanden ist, wird man erst in einigen Tagen sehen. In einer Woche wird im Griechenland-Drama etwas mehr Klarheit herrschen. Dann entscheidet sich, ob Banken und Versicherungen den Hellenen tatsächlich so viele Schulden erlassen, wie das auf dem Papier geplant ist. Wenn der Schuldenschnitt funktioniert, könnten die Europäer ein wenig aufatmen. Ein sicheres Ufer käme in Sicht.

Solange aber nicht geklärt ist, ob die Hellenen die entscheidende Klippe bei der Umschuldung umschiffen, können die Europäer nicht über eine Aufstockung des Rettungsschirms ESM entscheiden. Weil die deutsche Regierungschefin zögert, müssen sich Italiens Ministerpräsident Mario Monti, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gedulden. Sie alle fordern mehr Geld zur Beruhigung der Märkte, also gewissermaßen eine Erhöhung der Brandmauer rund um Griechenland. Sie tun das zu Recht, denn auch jenseits von Griechenland gibt es noch zahlreiche Glutnester.

Der Fiskalpakt ist damit nicht mehr als ein Stück Papier.

Das Dilemma vieler Euro-Staaten sieht so aus: Sie wollen zwar ihre Schulden abbauen und verpflichten sich dabei auf einen Sparkurs, der vor allem im Süden der Euro-Zone den sozialen Zusammenhalt zu sprengen droht. Deutschland gleicht da innerhalb der Euro-Zone einer Insel der Seligen. Doch dass Kanzlerin Merkel beim Schuldenabbau in Europa eine Vorreiterrolle übernommen hat, darf ihr nicht den Blick darauf versperren, dass andere EU-Mitglieder es mit der Etatdisziplin nicht so genau nehmen können. Oder wollen. Spanien, Frankreich und selbst die Niederlande haben Probleme damit, die vorgegebenen Sparziele zu erreichen. Deshalb ist der von Merkel initiierte Fiskalpakt zunächst einmal nicht mehr als ein Stück Papier. Ob sich Europas Schuldensünder – notfalls mithilfe des Europäischen Gerichtshofs – tatsächlich auf den Pfad der Tugend zwingen lassen, muss sich noch zeigen.

Zweifel am Fiskalpakt sind auch deshalb angebracht, weil die Ratifizierung in den Mitgliedstaaten noch so manche Überraschung bereithalten könnte. Irlands Premier Enda Kenny hat bereits eine Volksabstimmung über das Vertragswerk angekündigt. Das Ergebnis ist offen.

Den größten Unsicherheitsfaktor bei der Schuldenbekämpfung in der Euro- Zone stellt allerdings ausgerechnet Frankreich dar, der wichtigste Verbündete Merkels im Krisenmanagement. Dort werden im Mai die Karten politisch neu gemischt. Derzeit hat der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande das beste Blatt. Allerdings hat der Franzose auch schon angekündigt, den Fiskalpakt neu zu verhandeln, falls er in den Elysée-Palast einziehen sollte. Merkel müsste sich dann auf unruhige Zeiten einstellen – und sich der Gefahr aussetzen, dass der von ihr mühsam ausgehandelte Vertrag zur Schuldenbekämpfung scheitert, bevor er überhaupt in Kraft getreten ist.

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