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Bundeskanzlerin Angela Merkel muss sich Sorgen um den Euro machen.

© dpa

Merkel und Europa: Die größte Münze

Immer wieder geht es um die Kanzlerin, um das Amt und ihr Amtsverständnis, um ihre Vorstellung von Führung. Und gerade jetzt ist die Frage, wer sie ist, besonders wichtig, jetzt, da der Euro gefährdet ist und mit ihm das geeinte Europa. Das ist keine kleine Münze, hier geht es ums große Ganze.

Immer wieder geht es um die Kanzlerin, um das Amt und ihr Amtsverständnis, um ihre Vorstellung von Führung. Und gerade jetzt ist die Frage, wer sie ist, besonders wichtig, jetzt, da der Euro gefährdet ist und mit ihm das geeinte Europa. Das ist keine kleine Münze, hier geht es ums große Ganze.

Jede Kanzlerschaft kommt irgendwann an das Ende aller Prinzipienfreiheit. Noch für jeden in diesem Amt galt, dass er sich irgendwann durch sein Handeln oder Unterlassen definieren würde. Bei jedem musste sich erweisen, ob er „Kanzlerformat“ hat, wie es einmal Gräfin Dönhoff nannte. Adenauer mit seiner Westbindung, Kiesinger mit der Notstandsgesetzgebung, Brandt mit der Ostpolitik, Schmidt mit der Nachrüstung, Kohl mit Einheit und Europa, Schröder mit Krieg und Agenda – es kommt der Punkt, an dem einer sagen muss, wofür und wogegen er steht. Und zur Not fällt. Merkel ist an diesem Punkt. Nun wird sich ihr Format erweisen.

Europa, das ist keine Chimäre. Es ist nicht nur ein Haufen Papier. Europa ist historische Chance und Haltung. EU-Europa mit dem Euro ist die andere Seite der Medaille deutsche Einheit, und der Euro ist Garant für Frieden und Wohlergehen. Er ist, nebenbei, die gegenwärtig stabilste Währung der Welt. Ohne ihn erginge es ganz Europa jetzt schlechter.

Das alles ahnte oder wusste, jedenfalls wollte Helmut Kohl, der sich bei der Einführung des Euro nicht kleinmütig, sondern furchtlos verhielt, sich nicht um Stimmungen scherte, sondern führte. Gegen Widerstände. Er hätte scheitern können. Stattdessen wird er heute auch von Joschka Fischer gerühmt. Kohl, der der CDU vorstand, als Merkel dazukam; Kohl, den sie beobachten konnte, hörte nicht auf „strategische Pygmäen“, als es darauf ankam. Das war der Begriff, den Helmut Schmidt prägte, als er Kohl lobte.

Und nun? Ist die Lage da, wie Adenauer gesagt hätte. Es geht um Griechenland und den Euro, um Europa in Einheit; was für eine bittere Ironie, wo doch „Europa“ griechisch ist. Die Schönheit des Gedankens Europa zu erhalten, setzt den allerhöchsten Einsatz voraus. Merkel muss sich selbst einsetzen.

Die Kanzlerin muss 60 Jahre nach Kriegsende und 20 Jahre nach der Vereinigung der Verantwortung Deutschlands als dem stärksten und wichtigsten Partner, der größten Nation in Europa angemessen handeln. Wie wird sie das, kann sie das? Christian Wulff hat sie einmal als „gute Schäferin“ beschrieben, die ihre Herde von hinten führe. Was im Umkehrschluss heißt, dass sie nicht voranschreitet und Richtlinien der Politik vorgibt, sondern abwartet, welche Linien sich abzeichnen. Was sich gerade abzeichnet, ist allerhöchste Gefahr. Eine Kettenreaktion an Pleiten könnte die EU zerstören.

Unbestreitbar ist Merkel so: Vorsichtig, misstrauisch, zurückhaltend in der Bereitschaft, sich festzulegen, ehe der Ausgang dessen, was sie beobachtet, abzusehen ist. Dann ist kühles Handeln ihre Stärke. Unbestreitbar ist es aber auch so, dass Merkel dieser Tage ausgerechnet von den Stimmungen gejagt wird, die sie selbst erzeugt hat: Weil sie als Kanzlerin, vor eine ungeheure Situation gestellt, außengesteuert gewartet hat, als sie gegen Widerstände ins Obligo hätte gehen müssen. Weil sie an die CDU-Stimmen in einer Regionalwahl dachte. Und weil sie nicht, anders als bei der Lehman-Pleite auf den Sozialdemokraten Peer Steinbrück, auf ihren christdemokratischen Finanzminister Wolfgang Schäuble hörte.

Jetzt geht es drum. Es geht um sie. Noch ist alles zu retten.

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