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Merkel und Obama: Die Kunst des Unmöglichen

Angela Merkel und Barack Obama bevorzugen beide einen pragmatischen Politikstil. Die beiden können miteinander. Eine gute Basis für ihre Zusammenarbeit. Sensationelle Erfolge darf man dennoch nicht erwarten.

Die beiden können miteinander. Das ist nach Angela Merkels Besuch bei Barack Obama offenkundig. Sie fallen sich zwar nicht in die Arme. Das mag die unzähligen deutschen Obama-Fans irritieren. Muss man diesen sympathischen jungen Präsidenten nicht einfach mögen und es auch zeigen? Staaten haben aber nicht Freunde, sondern Interessen. Oberste Pflicht eines Präsidenten und einer Kanzlerin ist es, ihr Land zu vertreten. Dabei harmonieren sie weitgehend. Sie finden eine gemeinsame Sprache zum Iran und zu Israels Siedlungspolitik. Beide bevorzugen einen pragmatischen Politikstil. Sie schätzen die gegenseitige Verlässlichkeit: Versprochen wird nur, was man halten kann; wo die Wünsche des Partners an Grenzen in der eigenen Innenpolitik stoßen, sagen sie sich das offen. Dies schafft eine gute Basis für ihre Zusammenarbeit.

Sensationelle Erfolge darf man dennoch nicht erwarten. Beider Spielraum ist begrenzt, national wie international. Im Fall Iran bekunden sie ihre Solidarität mit der Protestbewegung gegen die Wahlfälschung. Am Ende ist ihnen jedoch die Abwehr iranischer Bombenpläne wichtiger als die Freiheit der Iraner. Ganz egal, wie der Machtkampf in Teheran ausgeht – blutige Niederschlagung, relativer Erfolg durch Austausch einiger Führungskräfte oder eine Verhaftungswelle, wie beim Kriegsrecht gegen die Solidarnosc in Polen 1981: Obamas und Merkels Priorität ist es, die Tür zu Atomgesprächen offenzuhalten. Ein klassisches Dilemma zwischen Idealen und Realpolitik.

Bilateral können weder Präsident noch Kanzlerin viel liefern, was dem anderen substanziell weiterhilft. Das Emissionsgesetz, das nun im US-Abgeordnetenhaus eine knappe Mehrheit fand, ist für Amerika ein „Gezeitenwechsel“, wie Merkel zu Recht lobt. Mit Blick auf die internationale Klimakonferenz in Kopenhagen nützt es wenig, weil die Reduktionsziele so bescheiden sind. Der Senat wird das wenige weiter verwässern. In der Terrorabwehr verabschiedet sich Obama mit Blick auf die Stimmung im Lande zunehmend von der versprochenen Wende. Das geplante Dekret zur unbegrenzten Inhaftierung Verdächtiger ist liberaler als die Praxis unter Bush und reduziert doch die Hoffnung auf eine neue Richtung.

Umgekehrt schwärmt Merkel davon, wie Obama weltweit „Türen aufstößt“, auch durch seine Kairoer Rede an die Muslime. Das provoziert die Frage, wo die Bundesregierung eigentlich ihre Politik geändert hat, um Obama tätig zu unterstützen? Sie nimmt dankbar zur Kenntnis, dass vieles, was Deutschland seit langem fordert, mit ihm einfacher wird als mit Bush. Als Anlass, sich selbst zu bewegen, dient es nicht. In der Wirtschaftskrise verfolgen beide verschiedene Strategien, aus verständlichen historischen Gründen. Amerika fürchtet eine lange Depression und gibt mehr Geld für die Konjunktur aus, als es sich leisten kann. Deutschland hat Angst vor Inflation und möchte das Schuldenmachen begrenzen.

Angesichts der Divergenzen klingt die Hoffnung auf eine fruchtbare Partnerschaft wie eine Illusion. Doch es verhält sich umkehrt: Weil die Interessen nicht deckungsgleich sind, kommt es umso mehr darauf an, dass Merkel und Obama miteinander können, sich vertrauen und die innenpolitischen Begrenzungen verstehen. Das erst eröffnet die Chance, dem Druck der Krise standzuhalten, sie gemeinsam zu meistern und die kleinen Spielräume der Weltpolitik zu nutzen.

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