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Meinung: Merkels Männer

Wie die Kanzlerkandidatin Personal rekrutiert – und wie das manchmal danebengeht

Es war schon fast unheimlich, mit welch sicherer Hand Angela Merkel in den vergangenen Monaten die schwierigsten Personalprobleme zu lösen schien. Während auf offener Bühne zwischen CDU und CSU über Kompetenzen und Kandidaten gestritten wurde, wirkte die Vorsitzende still im Hintergrund. Wer hatte schon mit Horst Köhler als Anwärter für das Amt des Bundespräsidenten gerechnet? Kein Politiker, sondern ein Mann der Wirtschaft, weltläufig, unkonventionell, bürgernah.

Dann Heinrich von Pierer. Der frühere Siemens-Chef stand selbst einmal als Kandidat für das höchste Staatsamt in der Diskussion. Er genießt hohes Ansehen, seine Fachkompetenz ist unbestritten. Ihn gewann die mittlerweile zur Kanzlerkandidatin avancierte Frau Merkel als Chef eines Beraterkreises in Wirtschaftsdingen. Das war so gut ausgewählt, dass es den amtierenden Kanzler grämte. Denn von Pierer gehörte bislang zu denen, auf deren Rat Gerhard Schröder hörte.

Und dann Paul Kirchhof, der Kandidat für die Spitze des Finanzministeriums. Eloquent, blitzgescheit, ein kreativer Kopf, kurz: ein Professor von altem Schrot und Korn, was, bitte schön, als Kompliment zu verstehen ist.

Drei Namen, drei Treffer, Angela im Glück? Nun, nicht ganz. Denn dass Merkel drei Nichtpolitiker auswählte, gereicht ihr nicht nur zur Ehre. Diese Art von Personalrekrutierung ist auch eine Folge ihrer Unfähigkeit, innerhalb der eigenen Partei mit den Querdenkern und Querköpfen umzugehen. Widerborstige Ministerpräsidenten muss sie ertragen, weil sich deren Macht aus den Ländern speist. Im Umfeld der Bundes-CDU freilich ist zu viel Eigenständigkeit, gar auch nur der Ansatz von Querköpfigkeit für die Betroffenen in hohem Maße karriereschädlich.

Wolfgang Schäuble zum Beispiel wäre nach übereinstimmender Ansicht ein glänzender Bundespräsident gewesen. Sein Pech, dass die Chemie zwischen ihm und Merkel nicht richtig stimmt. Friedrich Merz gilt als Finanzpolitiker von hohen Graden, ein glänzender Debattenredner ist er außerdem. Aber als Fachmann kam er nicht ins Wahlkampfteam, weil sich Merkel mit ihm offenbar irreparabel überworfen hat.

Nun wäre das alles nicht mehr als ein Indiz für eine persönliche Schwäche von Merkel, wenn ihre Personalwahl ohne Makel wäre. Das aber ist nicht der Fall. Bei Horst Köhler zeichnet sich eine Tendenz zu dem ab, was Angela Merkel einmal als „durchregieren“ bezeichnete. Die Art, in der er die Auflösung des Bundestags mit der desolaten Lage des Landes begründete, hatte schon etwas Destruktives. Paul Kirchhof ist dabei, vom „Shooting Star“ zum Rohrkrepierer zu werden. Sein öffentliches Herumreden um die künftige Steuerpolitik, sein Verschweigen der Lasten der Reform hat der Union laut der jüngsten Meinungsumfrage von Infratest dimap offenkundig massive Ansehensverluste in zentralen Kompetenzfeldern gebracht. Und auch die Personalie Heinrich von Pierer wird nun mit Fragezeichen diskutiert. Hat es keinen Mittelständler gegeben, der an den Problemen von heute näher dran ist als ein pensionierter Vertreter der Großindustrie?

Noch regiert Angela Merkel nicht. Aber spätestens, wenn sie am 18. September (oder 2. Oktober) die Mehrheit bekommt, wird sie lernen müssen, mit ihren Leuten zu arbeiten. Und nicht ohne oder sogar gegen sie.

Gerd Appenzeller

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