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Messi, Fressi, Boah, Peng: Die deutsche Presse schießt scharf

Die ausländische Presse hält sich mit Wiederauflagen von Weltkrieg Zwo zurück. Doch der deutsche Boulevard ist zur Fußball-WM in den Panzerturm geklettert.

Vor vier Jahren ging es nicht anders. Damals, bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006, waren die Fremden „zu Gast bei Freunden“. Die Fremden, das waren die Gast-Mannschaften und ihre Fans, „Die Freunde“, das war Deutschland, also wir. Das Ausland freute sich über die Gastfreundschaft und staunte über den Gastgeber. Sympathisch, locker im Umgang, im fröhlichen Dreiklang aus Schwarz-Rot-Gold, Ausweis freudiger Identifikation mit der nach vorne stürmenden Nationalelf. Es war eine Freude, die nach innen gerichtet war und sich gegen niemanden richtete.

Die Deutschen hatten, nahm das Ausland überrascht zur Kenntnis, die Knobelbecher gegen Flip-Flops eingetauscht. Selbst die Engländer, beim Fußball Erz-, wenn nicht Erbfeind, wollten das neue Deutschland-Bild nicht retuschieren. Vor dem Achtelfinale bei der WM 2010 in Südafrika gab es einige kleine Sottisen, die Wiederauflage von Weltkrieg Zwo mit einem zu schlagenden Hitler-Deutschland fand nicht statt.

Doch nicht alle haben den Panzerturm verlassen. Deutsche Medien, insbesondere der Boulevard, sind dort sitzen geblieben. Schlagzeile der „B.Z.“ am 23. Juni: „Jungs, heute bitte: Boah! Peng! Peng! Peng!“; die „Bild am Sonntag“ heulte am 27. Juni: „Jubeln, chillen, England grillen“; „Bild“ dröhnte am 3. Juli: „Adios, Diego! Dein Messi kriegt heute auf die Fressi.“

Nun baut das Verkaufsgeschäft vieler Medien und Journalisten auf der Attacke, der Konfrontation, der Empörung auf. Alles – Krankenkassenbeiträge, verschwenderische Griechen, der Euro im freien Fall, die Hitze – ist ein Aufreger. Die berühmt-berüchtigte Emotion ist gut, am besten funktioniert sie gegen einen Feind, der selbst den hüftsteifen Mitbürger auf die Palme treiben kann. Die Fußball-WM liefert diesen Zielfaktor. Australien, Serbien, Ghana, England, Argentinien, jede Mannschaft, jeder Gegner taugt zum Festival des schlechten Geschmacks.

Es hat etwas Komisches und Irritierendes, dass die überwältigende Sympathie der anderen so hart abgegrätscht wird. Wenn die Ausländer wenigstens das erste Foul begehen würden, dann wäre die Gegenattacke nur das wahrgenommene Recht auf Notwehr. Die Itaker, die Froschschenkelfresser, die Käsköppe sehen jedoch nicht mehr die Rumpelkicker von einst über den Platz marschieren, sondern sie jubeln über die Deutschen und ihren Fußball. Es macht ja die Inländer selbst sprachlos, dass die Löw-Truppe für jenes joga bonito, das „schöne Spiel“ steht, das die Brasilianer verweigert haben. Seitdem deren Trainer Dunga, genannt „Feldherr“, seine Samba-Fußballer deutsch spielen lässt, ist es um Brasiliens Herrlichkeit geschehen. Deutsche Tugend? Deutsche Internationalmannschaft!

Der Boulevard ist verwirrt von der Liebe der Fremdlinge, die „B.Z.“ notiert auf der Titelseite „So lobt uns das Ausland“ und zitiert das norwegische „Dagbladet“: „Der beste Fußball, der je gespielt wurde.“ Schön, aber wo bleibt das Negative? Jetzt kommt Spanien. „El Mundo“ schreibt: „Deutschland ist eine Bestie.“ Eine Steilstvorlage.

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