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Rauch steigt aus dem Uniper-Kraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen auf.

© dpa

Milliarden für Energiekonzerne: Der Kohleausstieg wird unnötig teuer

Der ausgehandelte Beschluss zur Kohle wird die Steuerzahler nicht nur viel kosten. Auch ein früherer Ausstieg ist kaum mehr zu erwarten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Nora Marie Zaremba

Es hat ein ganzes Jahr gedauert: Im Januar 2019 hatte die Kohlekommission ihren Abschlussbericht vorgelegt, erst jetzt hat die Bundesregierung nach zähen Verhandlungen mit den Kohlekonzernen einen Ausstiegsfahrplan für die Kraftwerke und Tagebaue und die Entschädigungssummen ausgehandelt. 2038 soll nun wirklich mit der Kohle Schluss sein, womöglich kommt das Ende schon 2035, sofern Randbedingungen wie Versorgungsicherheit und Strompreis stimmen.

Doch der Beschluss ist kein „historischer“ Durchbruch, wie Wirtschaftsminister Peter Altmaier sagt. Der nun festgelegte Kohleausstiegsbeschluss ist vor allem eine dicke Rechnung für den Steuerzahler und eine unnötige obendrein. Mehr als vier Milliarden Euro Entschädigung soll der Steuerzahler nun allein den Energiekonzernen RWE und Leag hinblättern, damit sie bis 2030 ihre uralten Braunkohle-Kraftwerke abschalten.

60 Jahre alt sind einige Kraftwerke von RWE, die bis 2022 vom Netz gehen sollen. Mit diesen Kraftwerken hat RWE jahrzehntelang Geld gemacht, ihre Wirtschaftlichkeit steht mit Blick auf den steigenden CO2-Preis auf dem Europäischen Emissionshandel zumindest infrage. Dass die jetzige Vereinbarung für RWE ein guter Deal sind, zeigte die Börse: Die Aktie des Konzerns kletterte nach Bekanntwerden der Beschlüsse auf knapp 30 Euro.

Auch der ostdeutsche Betreiber Leag darf sich über viel Entschädigungsgeld freuen. Mit den Kraftwerken Jänschwalde und Boxberg besitzt der Konzern ebenfalls uralte Schätzchen, deren Ende vergoldet wird. Damit nicht genug: Auch die Stilllegungsprämien für das Ende der Steinkohlekraftwerke müssen bezahlt werden – wie teuer genau, wird in Ausschreibungen ermittelt, in denen die Betreiber für Stilllegungsprämien bieten.

Der Green Deal könnte ein schnelleres Ende herbeiführen

Doch wenn die Europäische Kommission mit ihrem „Green Deal“ ernst macht, ist es wahrscheinlich, dass der CO2-Preis die Kohlekraftwerke selbst aus dem Markt treibt. Und zwar, bevor das gesetzliche Abschaltdatum ihnen den Garaus macht. Damit wären die hohen Entschädigungssummen umsonst gezahlt worden.

Die Entschädigungssummen für die Kohlebetreiber zur Stilllegung ihrer Kraftwerke und Tagebaue sind freilich nur der kleinste Batzen auf der Kohleausstiegs-Rechnung: 40 Milliarden Euro fließen bis 2038 in die vom Kohleausstieg betroffenen Regionen. Hinzu kommt ein Anpassungsgeld für die Mitarbeiter der Kohlewirtschaft in Höhe von insgesamt 4,8 Milliarden Euro. Die tausenden Mitarbeiter der Wind- und Solarindustrie, die in den vergangenen Jahren ihren Job verloren haben, haben keinen einzigen Cent gesehen.

Ist mit diesem Kompromiss erreicht, was die Kohlekommission und letztlich auch die Bundesregierung zum Ziel hatte: Die Befriedung des Kohlekonflikts über die Lager hinweg? Nein, denn die Bundesregierung hat sich in vielen Punkten nicht an die Empfehlungen der Kohlekommission gehalten. Zwar soll der restliche Teil des Hambacher Forst nicht mehr für die Braunkohlegewinnung weggebaggert werden.

Doch mit Datteln 4 geht ein neues Steinkohlekraftwerk ans Netz. Dem hatte die Kohlekommission eigentlich eine Absage erteilt. Außerdem hatte sie gefordert, dass gerade Mitte der 20er Jahre viel klimaschädliches CO2 durch die Abschaltung von Kraftwerken reduziert wird. Das ist nun nicht vorgesehen. Einige der ältesten Kraftwerke Deutschlands gehen erst kurz vor 2030 vom Netz.

Vorzeitiger Ausstieg ist in weite Ferne gerückt

Das Erreichen der jahresscharfen Sektorziele, die gerade erst im Klimaschutzgesetz für die Energiewirtschaft festgeschrieben wurden, steht auf der Kippe. Auch ein Vorziehen des Ausstiegsdatums ist damit in weite Ferne gerückt.

Die Bundesregierung hat mit ihren Beschlüssen den ausgehandelten Kompromiss der Kohlekommission in den Wind geschossen – und das auch noch für sehr viel Geld. Sollten die Grünen an der nächsten Regierung beteiligt sein, werden sie das wohl nicht durchgehen lassen und auf neue Vereinbarungen pochen.

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