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Minister Tiefensee: Auf dem falschen Gleis

Wolfgang Tiefensee ist als Verkehrsminister und Verantwortlicher für das Bahn-Privatisierungsverfahren fehl am Platz: Er verfügt nicht mal ansatzweise über jene Fachkompetenz, die auch potenzielle Investoren völlig zu Recht von ihm erwarten dürfen. Tiefensee sollte sich wieder aufs Cellospielen konzentrieren.

Wolfgang Tiefensee ist, die politische Kaste möge es verzeihen, ein ganz normaler Politiker. In seiner bisherigen Amtszeit als Minister ist er weder durch besondere Brillanz, noch mit originären Ideen oder herausragendem Durchsetzungsvermögen hervorgetreten. Verwalten statt gestalten, diese Maxime prägt das Verkehrs- und Bauministerium, seitdem der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister dort das Sagen hat. Das würde für die Alltagsroutine auch reichen, wenn wenigstens das Verwalten halbwegs gelänge. Ein populäres Wort hier, ein beglückender Bewilligungsbescheid dort, das könnte es sein.

Doch die Zeiten sind nicht so. Als Verkehrsminister ist der SPD-Politiker Tiefensee wichtigster Repräsentant der Eigentümer des noch zu hundert Prozent bundeseigenen Unternehmens Bahn. Insoweit agiert er als Treuhänder für alle Bürger beim anvisierten – und gesellschaftlich alles andere als unumstrittenen – Teilbörsengang des DB-Konzerns. Hier muss er nicht nur stets auf dem Laufenden sein, nein, er muss die Richtung vorgeben, in die dieser Prozess gesteuert wird, und – falls nötig – sein Veto einlegen. Nur dann wird er seiner Verantwortung vor dem Souverän gerecht.

Das aber ist Tiefensees Sache nicht. Wie einer seiner Sprecher jetzt erklärte, hat der Minister den seit Anfang Oktober im Ministerium vorliegenden Entwurf für den Börsenprospekt der Bahn zumindest bis zum vergangenen Donnerstag nicht gelesen. Trifft das zu, dann ist Tiefensee auf seinem Posten nicht mehr tragbar. Er ist dann weder den Beschäftigten der Bahn noch den Bürgern als Sachwalter ihrer Interessen weiter zumutbar. Als Ratgeber und Leitinstanz für den Bahn-Vorstand – der ohnehin mit dem Politiker macht, was er will – taugt er dann nicht mehr. Und weil er nicht einmal ansatzweise über jene Sach- und Fachkompetenz verfügt, die auch potenzielle Bahn-Investoren völlig zu Recht von einem mit der Verantwortung für das Privatisierungsverfahren betrauten Bundesverkehrsminister erwarten dürfen, ist er falsch am Platz.

Die Laviererei, ob und wann er denn nun von dem bereits im Sommer verbindlich gefassten Beschluss, die Bahn-Manager im Fall des Börsengangs mit einem Sonderbonus zu bedenken, erfahren haben will, passt nur zu gut ins Bild. Ähnliche Situationen und ähnliches Agieren hat es bereits im Zusammenhang mit der Leipziger Olympiabewerbung gegeben. Auch jetzt wieder war Tiefensee am eigentlichen Beschluss des Bahn-Aufsichtsrats nicht persönlich beteiligt. Denn den Sitz in diesem Gremium hatte er – trotz der immensen Bedeutung des anstehenden Bahn-Börsengangs für die Öffentlichkeit wie auch für Tiefensees eigene Partei, die SPD – nicht selbst wahrgenommen, sondern an seinen Staatssekretär delegiert. Klug ist so etwas nicht, aber ein Politiker kann so handeln – vorausgesetzt, er informiert sich vorab über die in diesem Gremium anstehenden Entscheidungen und lässt sich zeitnah über den Sitzungsverlauf unterrichten. Das ist nicht nur Bringschuld des Untergebenen, das ist auch Holschuld eines Vorgesetzten.Tiefensee indes gefiel sich in der Rolle des angeblich unwissenden Anklägers der Sonderboni erst, nachdem die Stimmung gegenüber Managern generell umgekippt war. Dass er dann noch einen Mitarbeiter geopfert hat, um die eigene Haut zu retten, dürfte selbst den letzten Tiefensee-Getreuen im Ministerium die Schamesröte ins Gesicht getrieben haben. Tiefensee sollte sich wieder aufs Cellospielen konzentrieren.

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