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Meinung: Mit Augenmaß

Die Bundeswehr und die Diskussion um weitere Auslandseinsätze Von Hans-Dietrich Genscher

Bundeswehreinsatz in Afghanistan, auch außerhalb von Kabul? Deutsche Soldaten in den Irak? Sind das Sommerlochthemen? Ganz gewiss nicht. Diese Fragen sind von der Sache her zu ernst und von der Problemstellung her zu dringlich.

Verständigung sollte über vier Punkte zu erzielen sein: 1. Jeder Einsatz bedarf eines Mandats der Vereinten Nationen. 2. Jeder Einsatz sollte sich im Rahmen der Nato vollziehen. 3. Die Bundeswehr muss zu dem Einsatz ohne Überdehnung ihrer Kräfte und ohne Vernachlässigung der Fürsorgepflicht für die Soldaten in der Lage sein. 4. Ein Einsatz – im Falle Afghanistans ein weitergehender Einsatz – unserer Soldaten kann nur gerechtfertigt sein, wenn er auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts der Vereinten Nationen, daraus folgend der Allianz, für eine friedliche Zukunft dieser Länder stattfindet. An diesem Konzept fehlt es für Afghanistan über Kabul hinausreichend. Und es fehlt gänzlich für den Irak.

Der bisherige Kommandeur der IsafSchutztruppe, General Norbert van Heyst, hat seine Eindrücke und Erkenntnisse in einem eindrucksvollen Bericht dargelegt, und er hat auf die Verpflichtung der Staatengemeinschaft für die Zukunft Afghanistans hingewiesen. Aber diese Erwartungen kann Deutschland nicht allein erfüllen. Ein deutscher Vorposten, wo immer, kann nur dann etwas bewirken, wenn er im Rahmen der Nato als einer von vielen im Rahmen eines Gesamtkonzepts installiert wird. Es reicht nicht aus, vom Primat der Politik zu sprechen, wenn es an einem politischen Konzept für Befriedung, Demokratisierung und Aufbau in Afghanistan fehlt.

Darüber bedarf es der Verständigung in den UN und im Bündnis. Voraussehbar werden die deutschen Möglichkeiten mit einem wirksamen Einsatz in Afghanistan erschöpft sein. Auch deshalb besteht kein Anlass, sich mit dem Einsatz deutscher Soldaten im Irak zu beschäftigen – von anderen schwerwiegenden Gründen, die dagegen sprechen, ganz abgesehen. Die Abwertung des Einsatzes in Afghanistan, indem man ihn als Alibi für die Nichtteilnahme im Irak bezeichnet, verrät gänzliche Ahnungslosigkeit von Problemen und Gefahren für unsere Soldaten in Afghanistan.

Offenkundig ist, dass die Ausrüstung und Bewaffnung unserer Soldaten für ihre Einsätze nicht optimal ist. Zu der personellen Überdehnung unserer Möglichkeiten kommen die Mängel bei Ausrüstung und Bewaffnung, die ihre Ursache nicht im Stand der Technik, sondern in den beschränkten Finanzmitteln der Bundeswehr haben.

Auch in der jetzigen Debatte wird immer wieder von Abgeordneten darauf hingewiesen, dass unsere Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist. Das ist richtig, aber das begründet auch eine besondere Verantwortung des Parlaments für ausreichende Finanzmittel für die Streitkräfte. Es ist die Verantwortung von Regierung und Parlament, die Mittel bereitzustellen, die die Streitkräfte brauchen, um den von Regierung und Parlament erteilten Auftrag zu erfüllen. Haushaltsprobleme dürfen nicht auf dem Rücken der Soldaten ausgetragen werden, die ihren Dienst tun, um die Friedensverantwortung der Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen.

Unsere Soldaten haben seit der Beendigung des Kalten Krieges und seit der Vereinigung 1990 Erstaunliches an Veränderungsbereitschaft gezeigt. Das gilt für die Eingliederung der NVA der DDR, für die Reduzierung der Streitkräfte, für die Bewältigung der dabei auftretenden auch sozialen Probleme und es gilt für die Fortschreibung des Auftrags der Bundeswehr und die daraus folgenden tief greifenden strukturellen Veränderungen.

Unsere Soldaten und ihre Familien haben Anspruch darauf, dass die Politik ihre Verantwortung ebenfalls erfüllt. Der amtierende Verteidigungsminister hat Zielstrebigkeit, Augenmaß und Verantwortung bewiesen. Es ist ihm das in Zukunft auch im Interesse unserer Soldaten zu wünschen.

Der Autor war von 1974 bis 1992 Bundesaußenminister. Foto: Mike Wolff

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