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Meinung: Mit dem Osterfest kam die Hoffnung

Die katholische Kirche darf Kondome nicht länger verteufeln

Alexander S. Kekulé Ostern ist das Fest des Lebens, Zeugnis vom Sieg Christi über den Tod. So kam es durchaus passend, dass Papst Benedikt XVI. in der Osterzeit den Auftrag gab, über ein Thema von Leben und Tod neu nachzudenken: Den Gebrauch von Kondomen gegen Aids. Zwar hat der Pontifex die Untersuchung streng darauf beschränkt, ob Katholiken sich innerhalb der Ehe mit Kondomen schützen dürfen, wenn ein Partner HIV-infiziert ist. Doch alleine die Beschäftigung des Papstes mit dem Tabuthema versetzt Katholiken und Aidsfachleute in Aufregung.

Aus Sicht der Experten sind Kondome die einzig wirksame Waffe gegen Aids. Für einen Impfstoff besteht nach wie vor kaum Hoffnung, weil HIV das Immunsystem austrickst wie kein anderes Virus. Die Entwicklung virustötender Vaginalcremes, so genannter Mikrobizide, hat die Pharmaindustrie jahrzehntelang verschlafen (der Autor dieser Kolumne hat Mikrobizide bereits in den 80ern vorgeschlagen). Die neuen antiviralen Medikamente verlängern das Leben zwar um viele Jahre, das Virus abtöten können sie jedoch nicht. Hinzu kommt, dass die aufwendige Therapie für die meisten Menschen in den Entwicklungsländern nicht verfügbar ist.

Zahlreiche Studien belegen, dass Aids in den Entwicklungsländern nur durch Kondome und Aufklärung einzudämmen ist – in Ländern wie Thailand, Kambodscha und Uganda zeigen sich die ersten zaghaften Erfolge. Auch in Südindien, einer der am schwersten betroffenen Regionen der Erde, ist die Zahl der Neuinfektionen erstmalig zurückgegangen, seit die Regierung massiv den Gebrauch von Kondomen propagiert. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor, der die Aidskampagnen in hinduistischen und buddhistischen Ländern leichter macht, ist die Abwesenheit der katholischen Kirche.

Dagegen stehen den Aidskampagnen in weiten Teilen Afrikas und Lateinamerikas gleich zwei mächtige Gegner gegenüber: das Virus und der Papst. Der Vatikan lehnt jede Form der Verhütung ab, also auch den Gebrauch von Kondomen. Stattdessen fordert er Enthaltsamkeit außerhalb und Treue in der Ehe als (einzige) Mittel gegen Aids. Die fromme Bush-Regierung hat angeordnet, mindestens ein Drittel der US-Mittel für die Aidsbekämpfung zur Förderung von Enthaltsamkeit und Treue auszugeben. In einigen Entwicklungsländern fehlt dadurch das Geld für lebensrettende Programme – etwa für Medikamente, die eine Infektion Neugeborener von HIV-positiven Müttern verhindern.

In den meisten Ländern des südlichen Afrika sind Enthaltsamkeit und Treue undenkbar, weil das traditionelle Männlichkeitsbild dagegensteht. Der Leiter des nigerianischen Aidskomitees brachte es auf den Punkt: „Mädchen und Frauen können bei uns typischerweise nicht mitreden wann, wo oder mit wem sie Sex haben.“ In Südafrika steht gerade einer der beliebtesten Politiker, Jacob Zuma, wegen Vergewaltigung vor Gericht. Zu seiner Verteidigung sagte der ehemalige Vizepräsident, das 33 Jahre jüngere Opfer habe eindeutig Sex mit ihm gewollt, weil sie einen knielangen Rock trug. Für einen Zulu sei es weniger sündhaft, eine Frau zu vergewaltigen, als ihr Verlangen abzulehnen. Obwohl er wusste, dass das Opfer HIV-positiv war, benutzte er kein Kondom. Stattdessen nahm der Politiker, der zeitweise für das nationale Aidsprogramm verantwortlich war, nach der Tat eine Dusche.

Unbelehrbare wie Zuma oder der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki, der standhaft bestreitet, dass Aids durch ein Virus ausgelöst wird, bekommen ausgerechnet vom Papst ideologische Schützenhilfe: Auch der Vatikan behauptet bislang, Kondome schützten nicht gegen Aids. In El Salvador hat die Kirche sogar einen entsprechenden Warnhinweis auf Kondompackungen durchgesetzt. Bisher forderte das Aidsvirus über 20 Millionen Todesopfer, mehr als die Kreuzzüge und die Inquisition zusammen. Wenn der Papst seinen Widerstand gegen Kondome nicht aufgibt, wird dies als größtes Versagen der Kirche in die Geschichte eingehen. Aber Ostern ist ja auch das Fest der Hoffnung – die soll man bekanntlich nie aufgeben.

Der Autor ist Institutsdirektor und Professor für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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