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Meinung: Mit dem zweiten Wind

Matthias Platzeck hat für die Brandenburger SPD die Wahl gewonnen

Das Neue an diesem Wahlergebnis ist, dass in Brandenburg alles beim Alten bleibt. Das klingt, mit Blick auf die Zukunft, nicht nur absurd, sondern auch langweilig. Es ist aber tatsächlich ein hoffnungsfroh stimmendes Signal. Im Land Brandenburg wurde nämlich gestern, wenn auch mit deutlichen Stimmverlusten, eine Koalition bestätigt, deren Partner sich beide für die Umsetzung der Hartz IV-Reformen eingesetzt haben. Noch vor zwei Wochen diagnostizierten die Meinungsforscher bei der oppositionellen PDS Zuwächse bis hin zur stärksten Kraft im neuen Landtag, die SPD nur noch auf Platz zwei.

Die Sozialisten als Profiteure der Sozialkonflikte – damit wäre deren Wahlkampfstrategie aufgegangen. Mit Sprüchen wie „Hartz IV ist Armut per Gesetz“ hatten sie eine beispiellose Populismuskampagne gefahren. Die PDS könnte, so sah es eine Zeit lang aus, neben der rechtsextremen DVU die Unzufriedenheit der Menschen auf ihre Mühlen lenken. In dieser Situation war für Ministerpräsident Platzeck die Verführung groß, sich an die Spitze der Hartz-IV-Kritiker zu stellen und den Unmut gegen die sozialdemokratische Politik nach Berlin umzulenken. Aber der Regierungschef begriff nach der für die SPD schlimm ausgegangenen Saarlandwahl, dass ein Bekenntnis zu den Reformen bei aller Kritik an einzelnen Maßnahmen eher glaubwürdig wirken könnte.

Die Rechnung ging auf. Die Brandenburger flüchteten weder in die Wahlenthaltung, noch zur extremistischen DVU. Die Wähler haben offenkundig die Botschaft verstanden, dass an den unbequemen Reformen kein Weg vorbei führt. Das ist – auch in seinem Wahlkreis – ein persönlicher Triumph für Matthias Platzeck, aber ebenso ein Lichtblick für den Bundeskanzler.

In absoluten Zahlen kann das Ergebnis für SPD und CDU freilich deprimieren. Noch nie seit der Wende hat die SPD in Brandenburg so schlecht abgeschnitten, die Union ist fast wieder auf jenem Tiefpunkt gelandet, auf dem sie vor Jörg Schönbohms Eintritt in die Landespolitik schon einmal war. Der persönliche Einsatz von Platzeck hat die SPD vor dem Macht- und Gesichtsverlust bewahrt. Die CDU muss sich fragen, ob sie mit einem anderen Spitzenkandidaten als Schönbohm besser abgeschnitten hätte. An seiner persönlichen Integrität gibt es keinen Zweifel, aber das reicht eben nicht.

Platzeck warb mit dem Etikett „Einer von uns“. Er wollte sich so von dem West-Import Jörg Schönbohm absetzen. Mit Erfolg. Schönbohm half der Hinweis nicht, dass auch er aus Brandenburg stammt. Ihm fehlt die Ost-Sozialisation des jüngeren Ministerpräsidenten, der Stallgeruch, der in der „kleinen DDR“, wie Manfred Stolpe das Land nannte, immer noch ein Faktor ist. Schönbohms persönliches Profil, wie es die Menschen wahrnehmen, ist eher durch eine schnarrend-preußische Attitüde als durch ein väterliches Image geprägt – er bleibt der Ex-General. So kann man keine Wahl gewinnen.

Wie geht es weiter? Die PDS ist, obwohl zweitstärkste Kraft und in vielen Wahlkreisen direkt erfolgreich, letztlich dennoch gescheitert. Sie kann die Regierung nicht ablösen (es sei denn, Platzeck wechselt den Partner), wird also vermutlich noch mehr auf Konfrontation zur Realität schalten. Der größte Fehler, den SPD und CDU nun machen könnten, wäre ein Prinzipienstreit, zum Beispiel über die vier- oder sechsjährige Grundschule. Die Wahlentscheidung ist eine Wahlentscheidung gegen die Ideologen und für die Realisten. Genau die braucht die Politik jetzt.

Gerd Appenzeller

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