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Meinung: Mit Moral gegen den Terror

Im Krieg richtet sich der Blick zwangsläufig auf die "moralischen Agenturen", die Kirchen. Wo bleibt ihr eindeutiges, wo ihr einheitliches Votum?

Im Krieg richtet sich der Blick zwangsläufig auf die "moralischen Agenturen", die Kirchen. Wo bleibt ihr eindeutiges, wo ihr einheitliches Votum? - Fehlanzeige! Ist das nun schlecht? Das kommt auf die Perspektive an. Wenn einer bischöfliche Hirtenbriefe kategorisch ablehnt: Warum will er jetzt welche bestellen? Wenn aber die Kirche der Politik direkt in den Arm fallen will, dann muss sie Politik auch betreiben wollen. Nach den Regeln von Mittel und Zweck - und Erfolg.

Manchmal sind es die Zufälle, die ein ganzes Problem offenlegen. In der vorigen Woche wurde den Teilnehmern der EKD-Synode ein Papier zur Friedensethik vorgelegt: eine Fortschreibung älterer Dokumente, welche nur die jüngsten Lehren aus dem Kosovo-Krieg verarbeiten wollte. Aber nun kam der neueste Krieg in Afghanistan dazwischen.

Spötter wie Moralisten würden sagen: Und dann kam es, wie vorherzusehen - zur Uneinigkeit. Die Wahrheit ist aber: Man konnte sich einigen, und zwar auf eindeutige Kriterien für die Prüfung, wann Militäreinsätze (im Sinne der ultima ratio) zulässig sein könnten. Tiefe Differenzen freilich brachen auf bei der Frage: Wie ist denn der Krieg in Afghanistan nach diesen Kriterien zu beurteilen? Ist er total abzulehnen oder (schöne Formulierung!) trotz aller Bedenken nicht unvertretbar?

Mit einem Mal verlagerte sich die Frage nach der moralischen Wahrheit von der Hochebene der Prinzipien in die Niederungen militärtaktischer Details. Aber wie will man zu eindeutigen moralischen Urteilen kommen, wenn man von den militärischen Details entweder wenig versteht oder nichts weiß? Weil im Krieg auch Informationen Waffen sind, weil die Kriegführenden selber nichts wissen - und weil, selbst bei Kenntnis aller Fakten, politisches und militärisches Handeln immer ein Handeln unter den Bedingungen der Ungewissheit ist.

Wer da aus dem Wunsch nach Eindeutigkeit jeden Einsatz in Afghanistan ablehnt, der landet paradoxerweise an der Seite ganz anderer Fundamentalisten. Er weist nämlich der Al Qaida - ungewollt - einen safe haven, einen sicheren Standort zu. Er tut also gerade das, was der UN-Sicherheitsrat dem Regime der Taliban vorwirft.

Nun die katholische Parallelaktion: Noch während die EKD-Synode tagte, wandte sich der katholische Militärbischof Walter Mixa schroff gegen den geplanten Einsatz der Bundeswehr und gegen eine "fast blinde Nibelungentreue mit den USA". Da machten ihn jene protestantischen Pazifisten zum Kronzeugen, die sonst wohl kein Stück Brot aus der Hand des konservativen Katholiken nehmen würden. (In der Äußerung Mixas berührten zwei andere Fundamentalismen einander: Wer beim embryonalen Lebensschutz ganz scharf argumentiert, neigt auch bei der Kritik am Waffengebrauch dazu.) Wie manche Grüne.

Tags darauf war aber alles anders: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, verdeutlichte seine eigene differenzierende Linie - und zwar so sehr, dass für Mixas Argumente daneben kein Platz mehr blieb. Nun war Lehmann der protestantische Kronzeuge.

In Deutschland ist eben sowohl der Protestantismus als auch der Katholizismus "politischer" als anderswo. Gerade dieses Element des Politischen führt aber nicht zu mehr Eindeutigkeit, sondern dazu, sich näher auf die Zweideutigkeit jeder Politik einzulassen. Das macht zwar keine starke Moral - kann aber eine moralische Stärke sein. Anders als eine starke Moral ohne Rücksicht auf ihre kontraproduktiven Konsequenzen.

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