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Meinung: Mit Sicherheit

Terror im Wahlkampf: Hamburgs Innensenator ist in schlechter Gesellschaft

Wer möchte schon gerne für die innere Sicherheit verantwortlich sein in diesen Tagen? Abhängig von Geheimdiensten, die mit Information, Desinformation und Nichtinformation jonglieren, müssen ein Minister oder Senator oft ganz schnell entscheiden: Alarm schlagen und riskieren, dass die Vorsicht und die Wachsamkeit mit jedem Einsatz, dem kein Anschlag folgt, gefährlich nachlassen? Ruhe bewahren und riskieren, dass ein Anschlag kommt wie der Blitz aus heiterem Himmel, und dann den Vorwurf ertragen, Menschenleben leichtfertig aufs Spiel gesetzt zu haben?

Hamburgs Innensenator Dirk Nockemann schlug Alarm, als er Hinweise auf einen geplanten Selbstmordanschlag islamistischer Terroristen erhielt. Berlins Innensenator Erhart Körting ließ einen Tag später, weil es keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag gab, am Brandenburger Tor eine Million Menschen Silvester feiern; für diesen Anlass wurde sogar die Straßensperrung vor der britischen Botschaft aufgehoben. Die Polizei suchte am Rande nach Polenböllern in Plastiktüten, nicht nach Plastiksprengstoff in Gürteln, der ja auch, unter dicken Jacken versteckt, kaum aufgefallen und zu finden gewesen wäre. Es ist, mal wieder, gut gegangen.

Nockemann aber trifft die geballte verbale Wut von Bundesinnenminister Otto Schily sowie einigen Sicherheitsexperten der Koalition. Dabei ist es nicht so, dass Nockemann sich verhört und Hamburg mit Humbug verwechselt hätte. Die Warnungen vor einem Anschlag gab es ja. Der Streit dreht sich zum einen darum, wie konkret und ernst zu nehmend die Hinweise tatsächlich waren. Vor allem aber geht es darum, ob Nockemann mit aufgeregtem, laut tönendem Aktionismus die bis dahin geheimen Ermittlungen torpediert hat. Dieser Vorwurf wiegt um so schwerer, als er vor dem Hintergrund des Hamburger Wahlkampfes erhoben wird. Nockemann ist jung im Amt und über einen engen hanseatischen Kreis hinaus bekannt eigentlich nur als Nachfolger Ronald Schills. Zudem droht seiner Partei, die sich heute Rechtsstaatliche Offensive nennt und den Namen ihres Gründers schamhaft verschweigt, das parlamentarische Ende so wie ihm selbst das seiner politischen Karriere. War die Versuchung zu groß, sich spektakulär als Mann der Tat präsentieren zu können? Oder re(a)gierte die Unerfahrenheit mit? Handelte Nockemann vielleicht sogar richtig?

Nockemann hätte die Warnung ernst nehmen und handeln können, ohne gleich auf die ganz große Glocke schlagen zu müssen. Und ganz so unerfahren mit Innenbehörden, wie es seine kurze Amtszeit als Senator auf den ersten schnellen Blick erscheinen lässt, ist der frühere Juso und Helmut-Schmidt-Bewunderer nicht; er hat schon in einigen gearbeitet. Er hätte wissen können: Das Bundeswehrkrankenhaus ließe sich auch anders als derart rustikaldramatisch schützen.

Wahlkampfterror aber ist, und auch das gehört zur Geschichte, keine neue Erfindung eines vereinzelten, verzweifelten Populisten. Da gab es schon ganz anderes. Vor ein paar Wochen trompetete ausgerechnet Bundesinnenminister Schily über die bayerischen Wiesen und Wälder hinweg, der weithin unbekannte SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Franz Maget, werde von Rechtsextremisten bedroht. Das erleichterte weder die Fahndung, noch verbesserte es Magets Sicherheit; nur dessen Bekanntheitsgrad stieg. Bayerns Innenminister Günther Beckstein, der um die Drohung gegen Maget wusste, spielte die Gefahr dennoch herunter und sprach von einer Wahlkampfaktion, was wiederum selbst eine war. Nur Zyniker halten das noch für Ironie. Was bleibt? Eine Warnung: Wahlkämpfe schaden Ihrer Sicherheit.

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