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Die Beziehungen des Westens zu Moskau sind belastet.

© AFP

Miteinander statt Gegeneinander: Die euro-atlantische Sicherheitsordnung muss auf Russland bauen

So lange es nicht gelingt, Russland einen angemessenen Platz in der euro-atlantischen Sicherheitsordnung zuzuweisen, werden die Beziehungen zu dem Land belastet bleiben.

Wenn sich an diesem Freitag hochrangige Sicherheitspolitiker in München treffen, werden  drängende Themen wie Iran und Syrien die Debatte dominieren. Eine wichtige Frage jedoch wird ungelöst bleiben: Was ist der angemessene Platz Russlands in der euro-atlantischen Sicherheitsordnung?

Dabei brauchen Nato und EU die Zusammenarbeit mit Russland dringender denn je, etwa bei der Regulierung ethnischer Konflikte wie im Kosovo oder in Transnistrien, bei Fragen der Energiesicherheit, bei der Stabilisierung Afghanistans und bei Rüstungskontrolle und nuklearer Nichtverbreitung. Gerade weil Russland mit seinem Vetorecht im UN-Sicherheitsrat über ein beträchtliches Störpotential verfügt, ist eine Kooperation unablässig. Ohne Moskau wird es schwer, dem Iran gegenüber ausreichend Drohpotential aufzubauen oder dem Regime in Syrien den Nährboden zu entziehen. Insofern spielt Russland eine entscheidende Rolle auch für die Themen, die bei der Münchner Sicherheitskonferenz ganz oben auf der Agenda stehen.

"Reset" in den Beziehungen zu Russland ohne große Ergebnisse

Nach dem Tiefpunkt des Georgienkrieges gab es in den vergangenen Jahren durchaus Hoffnung auf eine Verbesserung des russisch-westlichen Verhältnisses, nicht zuletzt, weil  Obama zu Beginn seiner Präsidentschaft einen Neustart in den Beziehungen zu Russland eingeleitet hatte ("Reset"). Dem sind, bis auf den Abschluss des neuen Start Abrüstungsvertrags und mehr Kooperation in Afghanistan, keine großen Taten gefolgt. 

Dabei gibt es eine Reihe von Vorschlägen, wie Russland besser in die euro-atlantische Sicherheitsordnung integriert werden könnte. Der russische Präsident Medwedew etwa hatte im Juni 2008 vorgeschlagen, einen völkerrechtlich bindenden Vertrag von „Vancouver bis Vladivostok“ abzuschließen. Danach hätte keiner der Unterzeichner Handlungen unternehmen dürfen, die die Sicherheit eines anderen Vertragspartners „bedeutend“ beeinträchtigen. Die Mehrheit der westlichen Staaten erteilte dem russischen Vorschlag eine Absage; zu offensichtlich wären die einseitigen Sicherheitsgewinne für Moskau gewesen, das aufgrund der vagen Formulierung praktisch jede Handlung der Nato – sei es eine neue Erweiterungsrunde oder die Aufstellung des geplanten Raketenabwehrsystems - hätte blockieren können.

Neben dem russischen Vorschlag wird immer wieder die Vision einer Nato-Mitgliedschaft Russlands beschworen. Doch fehlt es hierzu am politischen Willen auf beiden Seiten. Ganz abgesehen davon, dass Russland momentan nicht die Kriterien erfüllt. Doch heißt das nicht, dass jegliche Bemühungen um eine Intensivierung der sicherheitspolitischen Kooperation von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind. Um ein stabiles System kooperativer Sicherheit mit Russland aufzubauen, sind drei Schritte nötig.

Drei Schritte zur Integration Russlands

Erstens geht es darum, auf beiden Seiten Misstrauen abzubauen. Sowohl in den Nato-Staaten als auch in Russland gibt es nach wie vor Kräfte, die die jeweils andere Seite als Bedrohung wahrnehmen. Auch wenn die Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung nach dem Ende des Kalten Krieges unwahrscheinlich geworden ist, besteht das Sicherheitsdilemma zwischen beiden Seiten fort. Kurz- bis mittelfristig ist es daher außerordentlich wichtig, militärische Zurückhaltung und Transparenz im Bereich der „harten Sicherheit“ zu erhalten und auszubauen. Besondere Sorge bereitet dabei die Zukunft der Rüstungskontrolle im konventionellen Bereich. Sie bildet das Kernstück der Vertrauensbildung zwischen Moskau und den westlichen Partnern, ist jedoch vom endgültigen Scheitern bedroht. Werden hier keine Erfolge erzielt, sind alle weiteren Versuche, bei den taktischen Nuklearwaffen zu einer Einigung mit Moskau zu kommen, aussichtslos.

Der zweite Baustein besteht darin, die institutionalisierte Kooperation zu festigen. Noch mangelt es den bestehenden Organisationen entweder an Effektivität oder an Inklusivität. So umfasst die OSZE zwar alle Staaten von Vancouver bis Vladivostok und damit auch Russland. Allerdings gelang es ihr bisher nur unzureichend, Sicherheitsherausforderungen wie etwa ethnische Konflikte im Balkan oder Kaukasus zu meistern. Zwar besitzt sie als einzige Organisation ein ausgefeiltes Instrumentarium, um Autonomie- und Territorialkonflikte zu regulieren. Doch ist wesentlich mehr politischer Rückhalt als in den letzten Jahren nötig, um dieses auch sinnvoll einsetzen zu können.

Demgegenüber entwickelte sich eine exklusive Institution, die Nato, zum effektivsten Akteur im euro-atlantischen Raum. Umso bedeutsamer ist es, eine strategische Partnerschaft zwischen Nato und Russland zu etablieren – wie auf dem Gipfel in Lissabon im November 2010 vereinbart. Dazu braucht es Kooperation in strategisch bedeutsamen Feldern, wie zum Beispiel der Raketenabwehr. Zudem muss das zentrale gemeinsame Forum, der Nato-Russland-Rat, krisenfester gemacht werden, etwa durch ein Konsultationsgebot. Wenn es darum geht, intensiver mit Russland zu kooperieren, spielt zunehmend auch die EU eine wichtige Rolle. Potential besteht hier vor allem beim externen Krisenmanagement, also EU-Missionen wie im Tschad, und der Energiesicherheit.

Drittens muss es weiterhin das Ziel der Nato- und EU- Staaten sein, Russland in die westliche Wertegemeinschaft zu integrieren. Zwar stehen unterschiedliche politische Systeme einer pragmatischen Sicherheitskooperation nicht im Wege; eine solche gewinnt aber nur dann an Erwartungsverlässlichkeit, wenn beide Seiten Normen wie Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte teilen. Hierfür sollten die westlichen Staaten sich nachdrücklicher einsetzen, im Zweifelsfalle auch auf Kosten kurzfristiger ökonomischer Vorteile.

Diese Schritte erfordern ein hohes Maß an politischem Willen und Führung. Da Moskau und Washington aufgrund der Wahlen 2012 in ihrer außenpolitischen Handlungsfähigkeit eingeschränkt sind, ist es umso wichtiger, dass Deutschland und seine europäischen Partner Impulse setzen. Das Ziel, dass Russland eines Tages fester Bestandteil einer euro-atlantischen Sicherheitsgemeinschaft ist, sollte es wert sein.

Margarete Klein forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu Russischer Außen- und Sicherheitspolitik.  Solveig Richter forscht, ebenfalls an der SWP, u.a. zur OSZE und EU. Von beiden ist soeben die Studie "Russland und die euro-atlantische Sicherheitsordnung"erschienen.  Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik Kurz gesagt.

Margarete Klein, Solveig Richter

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