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Meinung: Moderner Keuschheitsgürtel

Die soziale Kontrolle ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Manchmal denkt man, sie funktioniert nur noch bei der Mülltrennung.

Die soziale Kontrolle ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Manchmal denkt man, sie funktioniert nur noch bei der Mülltrennung. Was waren das noch für Zeiten, als es den guten alten Pranger gab. Da wurde ein Schuft auf dem Marktplatz ausgestellt, und dann konnte man ihm mal so richtig die Meinung sagen, anspucken inbegriffen. Nun setzen das Saarland, Hamburg und SchleswigHolstein auf eine neue Art des Prangers. Das meint zumindest der rheinland-pfälzische Finanzminister, der es für keine gute Idee hält, säumigen Steuersündern das Auto mit einer Parkkralle lahm zu legen. Dabei ist das doch eine Genugtuung für all jene, die brav ihre Steuern zahlen: Wenn man den Nachbarn, der jedes Jahr ein neues Auto kauft, dabei ertappen könnte, dass er Schulden beim Fiskus hat. In Wahrheit liegt es aber weniger an der Pranger-Funktion der Parkkralle, wenn Hamburger, Saarländer und Schleswig-Holsteiner nun schneller Steuerschulden begleichen. Sondern daran, dass der Staat sie, wie schon mit der Tabaksteuer, bei Lust und Leidenschaft packt. Wer den Geschwindigkeitsrausch braucht, rennt schnell mit einem Packen Barem zum Finanzamt, um die Kralle wieder loszuwerden. Die ist somit gar kein mittelalterlicher Pranger, sondern vielmehr ein moderner Keuschheitsgürtel – mit (Konto-)Nummernschloss. clw

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