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Mohammed-Karikaturen: Wes Brot ich ess

Künstler und Politik: Theater in Teheran, Morddrohungen in Dänemark

K ünstler sind auch nur Menschen. Weder sind sie weiser als andere noch humaner. Es gibt Künstler, die mit dem Teufel paktieren und solche, die gegen Tyrannen kämpfen. So war es immer. Die Geschicke der Welt hat das, im einen wie im anderen Fall, kaum beeinflusst. Doch den Wunsch danach, dass die Vertreter des Schönen und Erhabenen gelegentlich das Gute befördern, hat die Einsicht in den bloßen Symbolcharakter ihres Politengagements nicht geschmälert. Günter Grass und Willy Brandt, Udo Lindenberg und Erich Honecker, Pablo Picasso und Guernica, Alexander Solschenizyn und die Freiheit: Solche Bilder wärmen das Herz.

Künstler sind auch nur Menschen, vielleicht mit einem Unterschied: Sie sind leichter erregbar. Deshalb irren sie manchmal kräftiger. Nichts Unmenschliches ist einigen von ihnen fremd. Der Iran ist eine Diktatur, dessen Präsident ein Antisemit, er strebt nach Atomwaffen, will Israel vernichten, unterstützt diverse Terrororganisationen. Kein Mensch, der noch, buchstäblich, bei Trost ist, kann dieses Regime unterstützen. Dort werden Frauen, die vor ihrer Hinrichtung unberührt sind, vergewaltigt, aus Angst, sie kämen andernfalls als Jungfrauen ins Paradies. „Wer die Wahrheit nicht weiß, ist bloß ein Dummkopf“, heißt es bei Bertolt Brecht. „Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“

Claus Peymann, der Regisseur und Intendant des Berliner Ensembles, hat jetzt in Teheran ein Stück von Brecht aufgeführt. Die Reise war umstritten. Nicht nur Exiliraner legten sie als Solidaritätsgeste aus. Etwas wütend, aber willig beugte sich Peymann den Eingriffen der iranischen Zensur. Er selbst bezeichnete die Zustände als „neues Mittelalter“ – und ließ trotzdem spielen. Das Stück wurde gefeiert, der Auftritt war erbärmlich. Wandel trotz Anbiederung: Diese Rechnung geht nicht auf.

Mutig wäre es von Peymann, in Teheran Brechts Solidaritätslied zu schmettern: „Eure großen Regimenter brechen jede Tyrannei!“ Besonders mutig wäre es von ihm, im Berliner Ensemble eine plakatgroße Mohammed-Karikatur des dänischen Zeichners Kurt Westergaard aufzuhängen. Denn zeitgleich zu Peymanns Iranausflug nahm die dänische Polizei mehrere Verdächtige fest, die einen Mordanschlag auf Westergaard geplant haben sollen. Aus Solidarität mit dem Karikaturisten druckten 17 dänische Zeitungen dessen Mohammed-Zeichnungen nach, daraufhin bestellte der Iran den dänischen Botschafter ein, um zu protestieren – gegen die Nachdrucke, nicht gegen die Attentatspläne.

Moral kann ganz einfach sein. Wer im Karikaturenstreit die Mullahs gegen die Meinungsfreiheit verteidigt, steht auf der falschen Seite. Wer sie mit Theater entzückt, statt ihre Repressalien zu geißeln, sendet die falschen Signale. Wer indes, wie Hollywood- Regisseur Steven Spielberg es dieser Tage tat, seinen Olympia-Vertrag aus Protest gegen die chinesische Sudanpolitik aufkündigt, beweist, dass man als Künstler nicht eben auch nur ein Mensch ist, sondern sogar ein Mensch sein kann. Zumindest einer, der nicht nach Khartum reist, um dort seine vom sudanesischen Regime zensierten Filme zu zeigen.

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