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Tagesspiegel-Kolumnistin Pascale Hugues liest und diskutiert im Tagesspiegel-Salon.

© Thilo Rückeis

Mon Berlin: Der Dampfplauderer hinten im Raum

Hinter jedem großen Mann steht eine große Frau. Pascal Hugues glaubt es ist an der Zeit, sich wieder einmal daran zu erinnern.

Wussten Sie eigentlich, dass die Frauen, die im Schatten der mächtigen, einflussreichen Großen dieser Welt stehen, im Leben ihrer Männer eine wesentlich wichtigere Rolle spielen, als man denkt? Ist Ihnen aufgefallen, wie häufig Politiker, Manager und andere Vips der Talkshows mitten in ihre Argumentation den kleinen Satz rutschen lassen: Ich habe zu meiner Frau gesagt …

Ein flüchtiger Hinweis, auf den ersten Blick sieht er nach nichts aus. Dabei ist es aber keineswegs bedeutungslos, wenn man in einer Expertenrunde seine Gattin hervorholt und sie in den Vordergrund schiebt. Denn hinter der scheinbaren öffentlichen Anerkennung der besseren Hälfte verbirgt sich in Wahrheit eine sehr subtile Strategie. In die trockene Debatte bringt Madame plötzlich eine persönliche, eine emotionale und menschliche Note. So ähnlich, wie wenn ein Minister sich rühmt, den Preis für ein Pfund Butter auswendig zu wissen. Übersetzt: Nein, ich bin kein privilegierter Zombie in meinem Elfenbeinturm, ohne Kontakt zur Wirklichkeit – vielmehr stehe ich mit beiden Beinen fest im Alltag: Ich gehe bei Edeka an der Ecke einkaufen, ich habe ein Privatleben und eine liebende Frau, mit der ich beim Abendbrot diskutiere.

Wenn man weiß, dass der eheliche verbale Austausch sich im Durchschnitt auf täglich sieben Minuten zwischen Badezimmer und Frühstückstisch beschränkt, dann suggeriert „Ich habe zu meiner Frau gesagt“ eine rege eheliche Kommunikation und eine grandiose Beziehung.

Aber ach, es gibt eine andere und der ernüchternden Realität wesentlich näherliegende Interpretation: Da haben Sie diesen monologisierenden Pfau, der Madame einen Lehrstunde in Geopolitik erteilt, während sie das Geschirr spült. Eine treue Seele, jeden Abend nimmt sie die wertvollen Gedanken auf, die ihr wichtiger Gatte bei den zahlreichen Fernsehinterviews und Meetings des Tages nicht loswerden konnte.

In visueller Sprache ausgedrückt, entwickelt sich die folgende Szene: Monsieur beugt sich leicht zu Madame vor, hebt den Arm und deutet mit dem Zeigefinger auf ein fernes Objekt. Man errät, dass er beschreibt, erklärt, vereinfacht. Madame schweigt demütig und lauscht den Ausführungen voll Dankbarkeit.

Seine Frau erinnert mich an die Rolle der Vertrauten in der klassischen Tragödie: eine Nebenrolle, unwichtig, ohne eigenen Charakter und Geschichte. Ihre einzige Aufgabe ist es, die geheimen Gedanken oder existenzialistischen Betrachtungen, die Enthüllung des Selbst aus dem Mund der Protagonistin, ihrer Herrin, in Empfang zu nehmen. Dank dieses Kunstgriffs können die Hauptpersonen sich entfalten. Die Vertraute begnügt sich damit, den Kopf zu wiegen und zu sagen: „ja“, „sehr wohl“, „selbstverständlich“. Ob Sklavin, Amme, Dienerin, beste Freundin – egal. Hauptsache, sie kann schweigen und zuhören. Eine Kammerzofe, die nur dazu taugt, das Geplapper ihrer Herrin entgegenzunehmen, um das Ganze in die Sprache der Boulevardkomödie zu übersetzen. Diese Requisite ermöglicht es uns, den Zuschauern und indirekten Adressaten, die Handlung des Stückes zu verstehen. Und damit wir uns nicht täuschen: Meine Frau ist nur ein äußerst praktischer Handlanger ihres Helden.

Oft kommt mir der Gedanke, dass ich die fragliche Frau eigentlich gern kennenlernen würde. Hinter jedem großen Mann steht eine Frau … Bei Empfängen und anderen gesellschaftlichen Verpflichtungen sollte man, während man sich mit seiner Frau unterhält, am anderen Ende des Raums ihren Dampfplauderer von Ehemann beobachten. Er schwadroniert und macht ein ernstes Gesicht dazu. Sie lacht. Er doziert. Sie erzählt das wirkliche Leben. Keine Frage, wo der Abend kurzweiliger ist.

Übrigens habe ich gerade heute Morgen zu meinem Mann gesagt: Unglaublich, aber mit dem Alter werde ich plötzlich Feministin …

Aus dem Französischen übersetzt von Elisabeth Thielicke.

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