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Mondlandung: Kontrollierter Wahnsinn

Als die Menschheit in der Mitte des 20. Jahrhunderts den Aufbruch zu den Sternen probte, erschien nichts unmöglich, war die Zukunft eine leuchtende Verheißung. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die menschliche Zivilisation nicht mehr Teil der Lösung, sondern des Problems.

Der Adler ist gelandet.“ Am 20. Juli 1969 um 22 Uhr 17 mitteleuropäischer Zeit war die Mondlandefähre „Eagle“ im „Meer der Ruhe“ niedergegangen. Die ersten Menschen betraten in den Morgenstunden des nächsten Tages den Mond. Wie ein Adler sah die Landefähre allerdings nicht aus. Eher glich sie einer bizarren Riesenspinne mit dünnen, gespreizten Beinen und einem plumpen, metallisch schimmernden Leib. Wer sie auf Filmaufnahmen einsam in der steinigen, leblosen Einöde des Mondes hocken sieht, bekommt ein Gespür für das Tollkühne des Unternehmens. Mit diesem zerbrechlichen Gefährt waren die Astronauten Neil Armstrong und Buzz Aldrin nicht nur im Mondgeröll gelandet, sondern bald darauf auch wieder aufgestiegen, um an Bord des Mutterschiffes von Apollo 11 heil zur Erde zurückzugelangen.

Der Mut zum Risiko und der unbedingte Wille, sein Ziel zu erreichen und seinen Traum zu verwirklichen, das ist vielleicht das erstaunlichste Vermächtnis der Mondmissionen. Als „blauäugig und naiv“ hat der deutsche Weltraumingenieur Jesco von Puttkamer die Mentalität der Raketenbauer beschrieben. Nicht etwa, weil sie dumm waren. Sondern weil sie in ihrem Elan bereit waren, das Unmögliche zu erzwingen. Am Ende glückte es ihnen. Mit einer Technik, die teilweise archaisch anmutet. Man denke nur an die klobigen Rechenmaschinen, für die die Bezeichnung Computer nach heutigen Maßstäben ein Witz ist. Jeder Laptop aus dem Elektronikmarkt an der Ecke hat mehr Rechenpower als die damaligen Spitzenrechner der Nasa. Die Saturn-5-Rakete mit ihren Millionen von Bauteilen funktionierte trotzdem.

Als die Menschheit in der Mitte des 20. Jahrhunderts den Aufbruch zu den Sternen probte, erschien nichts unmöglich, war die Zukunft eine leuchtende Verheißung. Es würde immer weiter aufwärtsgehen, so viel war gewiss. Wissenschaft und Technik erschienen als Schlüssel zu Wohlstand und Glück. Das hat sich geändert. Das Schicksal herausfordern, Grenzen überschreiten, in lebensfeindliche Regionen vorstoßen: Der Optimismus des „Space Age“ ist längst verdächtig geworden. Der Glaube an das Morgen hat sich in sein Gegenteil verkehrt.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die menschliche Zivilisation nicht mehr Teil der Lösung, sondern des Problems. Düstere Klimaprognosen verdunkeln den Horizont, der doch einst ein Ort der Verheißung war. Das Ultimatum läuft unerbittlich. Die Zukunft ist zu einem ökologischen Horrorszenario geworden, in dem die Wüsten wachsen und Stürme, Überschwemmungen und Hungersnöte an der Tagesordnung sein werden, wenn die Menschheit nicht rasch und mit aller Kraft den Hebel umlegt. Wer wird da noch in den Weltraum wollen, nur so zum Spaß?

Dieser Tage macht das „Desertec“-Projekt Furore, mit dessen Hilfe klimafreundlicher Solarstrom aus Afrika nach Europa geleitet werden soll. Mit seinen geschätzten 400 Milliarden Euro Kosten hat Desertec schon jetzt fast die Größenordnung des Apollo-Programms. Aber die Technik ist bodenständig, die wissenschaftliche Herausforderung hält sich in Grenzen, das Risiko ist minimal. Vom kontrollierten Wahnsinn der Raumfahrt keine Spur. Desertec ist die technische Utopie der Gegenwart. Man rettet das Klima, bekommt Strom dafür und verdient gut dabei. Vernünftig. Und ein bisschen langweilig.

Es ist klug, sich um das Klima zu kümmern und sich darauf zu konzentrieren, die Umwelt zu bewahren. Aber der Mensch ist nicht nur dazu geboren, die Dinge so zu bewahren, wie sie sind. Auch Entdeckerlust und Neugier sind ein wesentlicher Teil seiner Natur. Der Flug zum Mond ist vielleicht das beste Beispiel dafür. Gefährlich, aberwitzig, verschwenderisch – und die Verwirklichung eines großen Traums, einer großen Sehnsucht. Inzwischen gibt es neue Pläne für Mondmissionen ebenso wie für Flüge zum Mars. Zu teuer, sagen viele. Lohnt sich nicht. Es wird dauern, bis der erste Mensch seinen Fuß auf den Mars setzt. Aber der Tag wird kommen.

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