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Morde in Frankreich: Sarkozy trauert live

Der Moment der Besinnung währte nur kurz. Nach den sieben Morden geht der französische Wahlkampf weiter - und alle Aufmerksamkeit richtet sich nun auf den Staatschef.

Frankreich rückt zusammen im Moment der Trauer. Nach den Morden von Toulouse und Montauban, bei denen Kinder und Erwachsene aus der jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaft kaltblütig erschossen wurden, will erst einmal niemand mehr etwas vom Wahlkampf hören. Staatschef Nicolas Sarkozy und sein sozialistischer Herausforderer François Hollande stoppten für einen Augenblick ihre Kampagnen und besuchten gemeinsam einen Gottesdienst.

Der Moment der Besinnung währte aber nur kurz. Sarkozy und Hollande haben ihren Wahlkampf inzwischen wieder aufgenommen. Sie tun dies aber mit unterschiedlichen Mitteln: Der Präsident gibt den Macher. Und seinem Herausforderer bleibt nicht viel anderes übrig, als seine Präsenz in den Medien irgendwie zu erhalten.

Die Überlegung, welche Wendung der Wahlkampf durch die Morde in Südfrankreich jetzt nehmen wird, mag zynisch wirken. Das ändert aber nichts daran, dass die politische Auseinandersetzung vier Wochen vor dem ersten Wahlgang auf einmal unter neuen Vorzeichen steht. Die brutale Anschlagsserie ist nicht nur eine Sache für die ermittelnde Staatsanwaltschaft, sondern sie zwingt auch Frankreichs politische Klasse zu einer Reaktion. Und dabei gerät Sarkozys Gegenspieler Hollande zwangsläufig in die Defensive.

Noch ist unklar, was – außer einem grenzenlosen Hass auf alles Fremde – und wer hinter den sieben Morden steckt. Solange die Hintergründe der Bluttaten nicht aufgeklärt sind, tun Frankreichs Politiker gut daran, sich mit Schuldzuweisungen zurückzuhalten. Aber einfach nichts sagen – das wollen und können sie auch nicht. Es ist bezeichnend, dass aus Sarkozys Präsenz bei einer Schweigeminute an einer Schule in Paris am Dienstag gleich wieder ein fernsehgerechtes Live-Event wurde.

Sarkozy an der Spitze einer verunsicherten Nation, der den Franzosen Halt gibt und die Aufklärung der Mordserie vorantreibt – in dieser Rolle sieht sich der Präsident jetzt. Nach einem Wahlkampf, der lange Zeit vor sich hin dümpelte, gibt es für den Präsidenten nun echten Handlungsdruck. Vergessen sind urplötzlich die zahlreichen Tiefpunkte von Sarkozys bisherigem Wahlkampf. Vor kurzem hatte der Präsident noch allen Ernstes einen von der Front-National-Chefin Marine Le Pen angezettelten Streit um „Halal“-Fleisch zur Schicksalsfrage für die Nation erklärt. Kaum ein Thema, behauptete Sarkozy unlängst, sei so wichtig wie die Frage, ob das Fleisch in den Supermärkten von Tieren stammt, die nach islamischem Ritus geschlachtet wurden – oder nicht. Die Franzosen waren klug genug, Sarkozys Polemik gegen das „Halal“-Fleisch, die sich indirekt gegen Frankreichs Einwanderer richtete, als billigen Wahlkampftrick zu entlarven.

Jetzt warten Sarkozys Landsleute auf eine Aufklärung der Bluttaten von Toulouse und Montauban. Dass sich ihre Aufmerksamkeit dabei auf den Staatschef richtet, liegt in der Natur der Sache. Aber welche Schlüsse sie daraus für die bevorstehende Wahl ziehen, steht auf einem anderen Blatt.

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