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Moschee-Eröffnung: Bolles Minarette

Um die Integration in Deutschland steht es besser, als viele meinen. Die Kreuzberger "Omar-Ibu-al-Khattab-Moschee" ist besonders dazu geeignet, ein Symbol für friedliches Zusammenleben zu werden.

Vor mehr als zwanzig Jahren züngelten hier Flammen, nahm Jahr für Jahr Gewalt ihren Ausgang. Ab heute ist dies ein Ort des Gebets.

Na, kommt Ihnen das vertraut vor? So pflegen Jubiläumsreden zu beginnen, das übliche Stück Staatsrhetorik zu Kriegsend- und ähnlichen Gedenktagen. Man hätte damit auch die Rede – oder den Leitartikel – zur Einweihung der Kreuzberger „Omar-Ibu-al-Khattab-Moschee“ am heutigen Freitag beginnen können. Sie steht auf dem Gelände jenes Bolle-Supermarkts, der 1987 geplündert und niedergebrannt wurde. Nun wird dort nicht nur gebetet werden, auch ein bisschen Bolle wird auferstehen, denn in guter osmanischer Tradition sind auf dem Gelände des „Maschari Centers“ um die Moschee auch Geschäfte geplant.

Dass das Symbolische dieses Baus gerade an diesem Ort bisher so wenig rhetorischen Ehrgeiz geweckt hat, kann mit Bolle und Kreuzberg zu tun haben, zwei Begriffen, zu denen Feiertagspathos wenig passt. Wahrscheinlicher wohl damit, dass hier kein christliches Gotteshaus (wieder-)ersteht, sondern eine Moschee. Ein Gebäude also, das seit Jahren im Westen als Chiffre für eine angeblich gewalttätige Religion missbraucht wird, das Berichte über religiös motivierten Terror garniert, dessen Minarette, nicht nur in der Schweiz, Grafiker zu bedrohlichen Langstreckenraketen umdeuten und dessen Besucher gern einmal von der Polizei kontrolliert werden, auch ohne jeden konkreten Verdacht. Keins jedenfalls, mit dem sich wer traute, friedliches Zusammenleben zu assoziieren.

Dabei wäre die Kreuzberger Moschee gerade dazu besonders geeignet. Dass die Muslime im früheren SO 36 sich ihrer Stadt besonders zugehörig fühlen und sich aktiv am öffentlichen Leben beteiligten, hat kürzlich George Soros’ Open Society Institute in einer europaweiten Metropolenstudie festgestellt. Und der unabhängige „Sachverständigenrat deutscher Stiftungen“ für Migrations- und Integrationsfragen hat soeben und in einer repräsentativen Untersuchung herausgefunden, dass der Trend auch für die Migranten in Deutschland insgesamt stimmt: Sie fühlen sich wohl in diesem Land, in dem die meisten von ihnen seit Kindertagen leben, wohler sogar als die nichtmigrantische Bevölkerung, sie vertrauen Behörden und Politik und, wichtiger: Die Deutschen vertrauen ihnen ebenfalls.

Alles gut also? Jein. Es gibt noch Baustellen für Integrationspolitik, auch darauf haben die Sachverständigen hingewiesen: Während Deutschland sich endlich als Einwanderungsgesellschaft zu sehen scheint, eine, die immer vielfältiger wird, gilt das für Schulen und Lehrerausbildung auch Jahre nach dem Pisa-Schock bestenfalls in Ansätzen. Und die bildungsbeflissene Mittelschicht, auch die migrantische, flieht aus gemischten Schulen und Stadtteilen, weil ihr das Katastrophengerede suggeriert, dort würden ihre Kinder verdorben.

Aber sorgen wir uns mal ein paar Tage lang nicht, feiern wir lieber. Wem nicht nach Beten zumute ist: Am Wochenende ist in Berlin „Karneval der Kulturen“.

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