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Meinung: Müde gestimmt

Von Paul Kreiner

Wer wählen geht, den fragen Meinungsforscher unter Umständen gleich am Ausgang des Wahllokals, wo er sein Kreuzchen gemacht hat und warum.  Daraus werden die schnellen „Exit Polls“ und die ersten politischen Analysen gestrickt. Wähler, die der Wahl fernbleiben, kann man nicht nach ihren Gründen fragen. Und so muss in Italien bis auf weiteres unklar bleiben, woran der Volksentscheid zur Erleichterung der Genforschung und der künstlichen Befruchtung  letztlich gescheitert ist.

Welchen Anteil  hat die allgemeine Referendumsmüdigkeit der Italiener? Alle 19 Volksentscheide seit 1997 sind aufgrund mangelnder Beteiligung geplatzt. Welchen Anteil hatte die Komplexität des Themas? Es gibt  Anzeichen dafür, dass sich die Italiener von der abgehobenen Juristensprache der Fragen überfordert fühlten. Und schließlich: Welchen Anteil hatte die Propaganda der katholischen Kirche gegen den Volksentscheid? Die Bischöfe werden sich nun triumphalistisch die „Rettung des Lebens“ auf ihre Fahnen schreiben. Aber haben alle Italiener, die nicht abgestimmt haben, dies wirklich aus Respekt vor dem Leben getan – oder war nicht auch, auf dem Land vor allem, wo die Kirche noch die bestimmende Institution ist, eine massive soziale Kontrolle im Spiel?

Vielleicht sind die Italiener auch vor den Exzessen der Fortpflanzungsmedizin im eigenen Land erschrocken, vor ihrem eigenen „Pionier“ Severino Antinori beispielsweise, der Frauen im biologischen Großmutteralter noch zu Müttern gemacht hat. Da kommen allgemeine italienische Grund- und Familienwerte ins Wanken. Die Italiener haben mit ihrer Stimmenthaltung nun für ein grundsätzliches Misstrauen votiert: Fragen der Bioethik – Finger weg! Ob’s weiterführt? Wäre, wenn das Misstrauen schon so überwiegt, ein klares Nein nicht besser gewesen?

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