zum Hauptinhalt

My BERLIN: Die FDP ist eine merkwürdige Partei

Was passierte mit Guido Westerwelle? Er hätte das Witzemachen besser den Engländern überlassen sollen. Die Rolle der Deutschen ist das Lachen.

Nach der Wahl verschwand Guido Westerwelle für kurze Zeit und schnell machte bei meinen mitleidsvollen Kollegen das Wort die Runde, er sei erschöpft, emotional, physisch. Kann man verstehen. Aber meine eher unzuverlässigen Quellen haben eine andere Erklärung für seine Abwesenheit: Westerwelle war in ein Schloss gebracht worden, um geschult zu werden.

Es könnte so abgelaufen sein: Im Keller läuft ein Film, mit dem Titel „GW, Pressekonferenz 28.09.09“. Ein älterer Lehrer steht neben dem Bildschirm. Ein BBC-Reporter stellt eine Frage. Der Film zeigt GWs unwirsche Reaktion: „Hier in Deutschland ist es üblich, dass man deutsch spricht.“

Der Lehrer zeigt auf den Bildschirm: „Was ist daran falsch?“

„Nichts“, sagt GW, „in England sprechen sie englisch, wir sprechen deutsch in Deutschland. Finde ich gut. Selbstbewusst.“

Der Lehrer seufzt. „Also, Ausländer finden den Spruch ,Deutsch für Deutsche‘ nicht besonders sympathisch.“

Der Lehrer setzt den Film wieder in Gang. O-Ton Westerwelle: „Und damit das nur gleich klar ist: Wir können uns auch gern mal außerhalb einer Pressekonferenz fabelhaft zum Tee treffen, und dann sprechen wir Englisch.“

„Herr Westerwelle, sehen Sie hier kein Problem?“

„Wieso? Die Engländer trinken Tee, oder?“

„Als Erstes: ,Fabelhaft‘ ist ein Cabriofahrer-Wort. Zweitens sagen Sie damit, dass Deutsch eine Business-, Englisch eine Teezeitsprache ist. Sie reduzieren Ausländer auf ethnozentrische Karikaturen. Was kommt als Nächstes: besoffene Russen, froschschenkelessende Franzosen?“

„Das war ein Witz.“

„Überlassen Sie das Witzemachen lieber den Engländern. Die Rolle der Deutschen ist das Lachen. Die korrekte Antwort wäre gewesen: ,I love the English language but forgive me if we speak now in German.‘ Das zeigt, dass Sie keine Angst haben, eine Fremdsprache zu sprechen.“

Der Film läuft weiter. O-Ton Westerwelle: „Es ist Deutschland hier.“

„Sie erwähnen das zum dritten Mal in 90 Sekunden.“

„Warum nicht. Wir sind hier doch in Deutschland?“

Der Lehrer seufzt und zupft an seinem gelben Pullunder. Er hat schon viele zukünftige Außenminister beraten, aber keiner war so bockig wie dieser.

Wird Guido auf die Älteren hören? Ich hoffe es, denn in der ersten Woche nach einer gewonnenen Wahl geht es nicht darum, den Apparat neu zu organisieren oder um Machtpolitik. Es geht darum, den richtigen Ton zu setzen. Der richtige Ton für einen Außenminister und Vizekanzler besteht darin, zurückhaltend und optimistisch zu sein und der Welt zu versprechen, dass sie es mit einem offenen und selbstbewussten Deutschland zu tun hat. Zickig auf einen ausländischen Reporter zu reagieren, der eine Frage stellt, gehört nicht dazu. Als Angela Merkel 2005 von einer ausländischen Reporterin gefragt wurde, ob sie glücklich sei, antwortete sie mit der Begeisterung eines Menschen, der gerade sein Lieblingshaustier begraben hat. Die Welt merkte plötzlich, dass sie es mit einer äußerst rationalen, vorsichtigen Politikerin zu tun hat. Es hat 18 Monate und eine WM gedauert, um diesen Eindruck zu verändern.

Die Erklärung für Merkels und Westerwelles mangelnden Charme ist sicher Erschöpfung. Aber bei Westerwelle ist es nicht ganz so einfach, vor allem für alle, die ein historisches Bewusstein haben. Hat die FDP nicht ein deutsch-nationales Gen? Bringt Westerwelle das vielleicht zum Ausdruck? Die FDP war immerhin die Partei von Erich Mende, dem Ritterkreuzträger, der Erhards Vizekanzler wurde. Mende war es, der den Abzug aller Raketen aus West- und „Mittel“-Deutschland forderte. Heute klingt Westerwelle wie dessen Echo, wenn er den Abzug aller taktischen Nuklearwaffen aus Deutschland fordert.

Natürlich hat sich die FDP während der Regierung Brandt/Scheel verändert, aber auch damals hatte ihre Politik einen dunklen Zug. Die FDP ist eine merkwürdige Partei, die immer merkwürdige, unberechenbare Persönlichkeiten angezogen hat (Jürgen Möllemann zum Beispiel). Was wir Ausländer also von Guido hören wollen, ist etwas ganz einfaches: ein „Yes, we can“. Wir wollen ein Deutschland, das sich mit Enthusiasmus am Kampf gegen die globale Rezession und den globalen Terror beteiligt. In den vergangenen 18 Monaten hat sich Deutschland in sich zurückgezogen – es muss sich jetzt wieder öffnen.

Der alte Guido hätte ein Gefühl für Stimmungen gehabt, er hätte seine Zuhörer charmiert. Der neue Guido, mit seiner übertriebenen Ernsthaftigkeit, wirkt, als hätte er plötzlich Angst vor der Macht bekommen.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false