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My BERLIN: Die perfekte Osterdiät

Jeder in England wäre gerne mit Nigella Lawson verheiratet. Oder säße wenigstens gern an ihrem Abendbrottisch. Sie ist klug und schön und, als Krönung, eine brillante Köchin. Einer meiner Neujahrsvorsätze war es, an ihre Telefonnummer ranzukommen.

Probieren Sie den „Vierfachen Schokoladenkastenkuchen“ von Nigella Lawson. Vierfach, weil er aus vier lebensverkürzenden Zutaten gemacht wird: Kakao, Schokoladenraspel, Schokoladensirup und oben drauf Schokoladenbrocken. „Ich liebe ihn zum Tee“, schreibt sie, „oder am Wochenende zum Frühstück oder spät nachts, wenn seine geschmolzene Matschigkeit dunkel auf mein weißes Bettzeug fällt“. Sie verstehen mich? Einer meiner Neujahrsvorsätze für 2008 war es, an Nigella Lawsons Telefonnummer ranzukommen.

Der Mann, der sie jedoch heiraten durfte, ist Charles Saatchi, ein Kunstsammler, der seine Millionen mit Werbung gemacht hat. Zwangsläufig hat er zugenommen. Schokokuchen auf weißer Bettwäsche zu essen, das macht man nicht ungestraft. Vergangene Woche tauchte er auf, schlank, und berichtete, dass er 25 Kilo in zehn Monaten abgenommen habe. Wie? Indem er ausschließlich Eier gegessen hat. Keine Butter, kein Zucker, keine Sahne – jene Lieblingszutaten seiner Frau. Nur Eier: Spiegelei am Morgen, gekocht zu Mittag, Rührei am Abend. Tag für Tag. Die perfekte Osterdiät.

Ich war mir nicht sicher, ob ich das glauben sollte. Man ist mit einer der besten Köchinnen Englands verheiratet und rührt ihr Erdbeer-Pavlova nicht an? Was für eine Ehe führen die beiden? Herrn Saatchi zu küssen, muss Überwindung kosten, es sei denn, man mag den Geruch von Schwefel. Überhaupt, der ganze Lawson-Saatchi-Haushalt hat sicher ein wenig gerochen.

Ärzte haben ihre Zweifel an Saatchis Osterdiät. Seine Cholesterinwerte müssen oben an der Glocke anschlagen. Doch das Eierregiment ist nicht ohne Logik: Eier enthalten Proteine, Vitamin A, D, B 3 und B 12. Man kann sie leicht portionieren, muss also nicht umständlich Essen abwiegen wie bei anderen Diäten. Und Eier unterdrücken Hunger. Für eine US-Studie über fettleibige Frauen bekam die eine Hälfte Bagels zum Frühstück, die andere Eier. Mit dem Ergebnis, dass die Eieresserinnen den restlichen Tag nichts mehr aßen und abnahmen, während die Bagel-Esserinnen nach zwei Stunden wieder Hunger hatten.

Ich würde die Diät ausprobieren, selbst wenn ich dann so gelbgesichtig würde wie Herr Saatchi, aber ich bin ein schlechter Eierkocher. Gekochte Eier sind ja angeblich das leichteste Gericht, idiotensicher, trotzdem brauche ich mindestens drei Anläufe, um wenigstens ein essbares, interessant flüssiges Ei herzustellen. Ich stehe damit nicht allein: Prinz Charles, das berichtet sein abtrünniger Butler, bekommt morgens sieben Eier gekocht, damit er sich das perfekte aussuchen kann; die übrigen sechs werden weggeschmissen oder an seine Ökoschweine verfüttert. Oder an seine Diener. Meine Rühreier werden stets zu einer klumpigen Masse, manchmal so kompakt, dass man mit ihnen jeden Einbrecher, der so dumm ist, in meine Wohnung einzudringen, erschlagen könnte.

Der Grund für meine Eierinkompetenz erschloss sich mir, als ich vor wenigen Tagen im Café Eifel am Ku’damm Eggs Benedict aß: Meine Eltern hatten keine Eikultur. Während des Zweiten Weltkrieges waren Eier rationiert, und ein Ei im Monat (im Sommer gab es mehr) ist zu wenig Spielmaterial, um die Grundlagen der Eizubereitung zu erlernen. Die Einot war so groß, dass sie aus den USA importiert werden mussten. Auch nach dem Krieg waren Eier selten, und viele Frauen, darunter meine Mutter, lernten nie die wahre Kunst des Eierkochens, und kamen so auch nie auf den Geschmack.

Die neueste Theorie von Ernährungswissenschaftlern besagt, dass wir nie gesünder gelebt haben als während der Kriegsjahre: wenig tierische Fette, kaum Zucker, dafür Kohl, Karotten und Kartoffeln. Es waren die Nachkriegsgeneration, die Babyboomer, die 68er, die anfingen, ihre Körper mit schlechter Ernährung zu zerstören, mit Süßem (die gesamte Schröder-Generation hat schlechte Zähne), mit rotem Fleisch, mit Butter. Eines der Probleme der Krankenkassen besteht darin, dass die ältere Kriegsgeneration länger lebt als erwartet, zum Teil wegen der gesunden Kriegszeiternährung, während ihre Kinder, die 65-Jährigen, mit Magenproblemen die Krankenhäuser verstopfen.

Eier waren meinen Eltern verwehrt, sie galten jahrelang als Luxus. Deshalb habe ich immer noch Schuldgefühle, wenn ich meine Eggs Benedict verputze. Tief drinnen höre ich meine Tante, die mir sagt, dass Eieressen unpatriotisch ist und Hitler hilft.

Davon hat mich Herr Saatchi, Gott segne ihn, befreit. Wenn Sie zu Ostern die Eier verstecken, suchen und aufessen, denken Sie an die Saatchi-Lektion: Man kann Eier essen, am Leben bleiben, Gewicht verlieren – und mit der eigenen Version von Nigella Lawson verheiratet bleiben.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller.

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