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My BERLIN: Tempelhof – und der Beginn einer wunderbaren Freundschaft

Die Deutschen waren einmal gut im Fliegen, bis ihnen die Flügel wegschmolzen. Nichts steht dafür mehr als der Flughafen Tempelhof.

Die Geschichte des modernen Liebesdramas beginnt mit „Casablanca“. Die knisternde Romanze zwischen Bogart und Bergman bot alles, was für eine gefühlige Erzählung des 20. Jahrhunderts notwendig war: Ehebruch, Betrug, Versöhnung, Eifersucht und einen atemberaubenden Abschied. Ich erinnere mich an einen furchtbaren Streit in den 70er Jahren, den ich mit meiner damaligen Freundin hatte. Am Ende schrie sie mich an: „Ich werde das Land verlassen. Und versuche ja nicht, mir nachzureisen!“ Das ist ein Satz, der gut in Casablanca II gepasst hätte.

Am meisten aber habe ich den tragischen Abschied am Flughafen im Kopf. Klar, dieser Flughafen war nicht Tempelhof. Doch jedes Mal, wenn ich dort hinfuhr, um jemanden zu verabschieden, wurde ich ein bisschen mehr zu Humphrey Bogart. Tempelhof stand für die guten Seiten des Luftverkehrs – eine Zeit, als Deutschland Vorreiter bei der Flugzeugentwicklung und Berlin kreatives Drehkreuz für Ingenieure, verwegene Piloten und Erfinder war.

Wer sich daran erinnern möchte, dem empfehle ich einen Besuch in der großartigen Galerie Bassenge in Grunewald. Dort ist jetzt Versteigerungswoche. Es kommen alte Fotos, Kataloge und Magazine zum Verkauf, die die Anfänge der deutschen Luftfahrt erstrahlen lassen. Vor genau 100 Jahren gab es die erste „Deutsche Fliegerwoche“ auf dem Flugplatz Berlin-Johannisthal, Hubert Lathan absolvierte den ersten Überlandflug, von Johannisthal zum Tempelhofer Feld, die erste ILA fand in Frankfurt am Main statt.

Diese vergessene Geschichte wird in der Bassenge-Ausstellung wieder lebendig. Damals war Deutschland tatsächlich führend in der Welt, und Hunderttausende drängten sich in Tempelhof, um zu sehen, wie die Brüder Wright ihre Runden drehten. Die Kriege im 20. Jahrhundert machten aus Flugzeugen Waffen – trotzdem blieb Berlin auch danach noch ein Zentrum der Luftfahrt.

Mit der Schließung von Tempelhof ging das verloren. Schnee von gestern, werden jetzt viele sagen: Die Volksabstimmung ist gescheitert, die Entscheidung gefallen. Die Senatspläne für Schönefeld kann ich durchaus verstehen, und ich hoffe wirklich, dass aus dem neuen Flughafen dort ein Drehkreuz zwischen Ost und West wird. Die Pläne für Tempelhof aber atmen den Geist der Vorstädte, sie sind ohne Flair: ein bisschen Wohnbebauung, ein Park und eine Modemesse.

Dabei kommen die interessantesten Ideen gerade nicht aus dem Dunstkreis des Senats. Der pensionierte Ingenieur Anton Heyne etwa wirbt für „Tempelhof – Hof der Tempel“: Jede Großreligion soll aufgefordert werden, dort ein Gebetshaus zu errichten (auf eigene Kosten): eine christliche Kirche, eine Moschee, eine Synagoge, ein Hindutempel, das alles auf dem Gelände von Tempelhof. Ganz in der Nähe sollen dann die Kirchen zusammenarbeiten müssen, zum Beispiel in einem Museum über religiöses Leid.

Solche Ideen sind interessant, aber sie sind nur eine Reaktion darauf, dass eine große urbane Fläche gefüllt werden muss. Die Stadtplaner haben den tieferen Sinn dahinter nicht verstanden. Die Volksabstimmung hat zwar klargemacht, dass Tempelhof kein Flughafen mehr sein wird. Aber das heißt ja nicht, dass das Gelände nicht seiner Geschichte treu bleiben soll.

Am Naheliegendsten wäre es, ein großes Luftfahrtmuseum zu errichten. Richtige Dynamik hingegen würde erst entstehen, wenn die ILA von Schönefeld nach Tempelhof verlegt würde. Tempelhof wäre der perfekte Ort. Die erste ILA vor 100 Jahren dauerte 100 Tage und hatte 1,5 Millionen Besucher. So etwas bräuchte man wieder. Andere große Flugschauen, Farnborough in England oder Le Bourget in Paris zum Beispiel, sorgen dafür, dass potenzielle Investoren mit neuen Ideen nach Hause fahren. Was wurde zum Beispiel aus dem Cargolifter, dieser neuen Generation von Zeppelinen? Das Projekt ist pleite, begraben im brandenburgischen Sand. Inzwischen beherbergt die riesige Montagehalle dort Tropical Island, einen überhitzten, überfüllten Vergnügungspark, in dem man so tun kann, als würde man Urlaub in der Karibik machen. Als ich da war, schwammen Pommes im Wasser. So hätte die Cargolifter-Idee nicht enden dürfen!

Die Deutschen waren einmal gut im Fliegen, bis ihnen die Flügel wegschmolzen. Wenn die ILA ins Zentrum zurückkehrt, an einen alten Flughafen, der auch junge Leute inspiriert, dann kann vielleicht auch von dieser Stadt aus wieder etwas abheben.

Aus dem Englischen übersetzt von Fabian Leber.

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