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My BERLIN: To Prussia with Love

Meine idealtypische Preußin ist Maria Gräfin von Maltzahn. Ich hatte das große Glück, sie in Berlin kurz vor ihrem Tod vor fast zwölf Jahren kennenzulernen.

Meine idealtypische Preußin ist Maria Gräfin von Maltzahn. Ich hatte das große Glück, sie in Berlin kurz vor ihrem Tod vor fast zwölf Jahren kennenzulernen. Sie war eine zigarillorauchende Tierliebhaberin, die das außergewöhnliche Leben einer preußischen Abenteuerin gelebt hat. Ihr Vater – noch in den 90er Jahren hing in ihrer Wohnung sein Porträt – war 1921 gestorben. Maria war damals zwölf, und mit ihrer verwitweten Mutter geriet sie darauf immer wieder in Konflikt. Abitur, Promotion in Fischereibiologie, eine Fahrt durch Afrika in einem zerbeulten Chevrolet, die kurze Ehe mit einem Kabarettisten, Leben im Widerstand. Drei Jahre lang versteckte sie ihren jüdischen Lebensgefährten Hans Hirschel. Nach dem Krieg begleitete sie als Tierärztin den Zirkus Busch um die Welt.

Typisch preußisch? Ja: kantig, trockener Humor, großes Herz, eine Hasardeurin. Mir war es immer ein Rätsel, wie Preußen solche Frauen hervorbringen konnte. Das Königreich war, natürlich, von Männern dominiert: Krieg, Drill, Disziplin, ein gerader Rücken im Sattel. Selten hört man etwas von den Frauen. Auf Gemälden und in der Literatur wird ihr Aussehen gepriesen, ihre Gebärfreudigkeit und (niemand gab das zu) ihre buchhalterische Fähigkeit. Eine naheliegende Erklärung für die Stärke der preußischen Frauen ist die ständige Abwesenheit der preußischen Männer. Gingen die ins Feld, übernahmen ihre Frauen den Haushalt, erzogen die Kinder, und, im letzten Krieg, verteidigten sich und ihre Häuser gegen die durch Ostpommern ziehenden russischen Soldaten.

Eine andere Erklärung: Mit der preußischen Männlichkeit war es – in wilhelminischer Zeit – nicht so weit her. Wir kennen alle die Geschichten von den preußischen Aristokraten, die am Hofe des Kaisers in Ballerina-Tutus herumliefen. Verwirrte preußische Männer: Das reichte vielleicht schon, um die preußischen Frauen unabhängiger und selbstbewusster werden zu lassen.

Aber ich wurde das Gefühl nicht los, dass das nicht alles gewesen sein konnte zum Thema Frauen in Preußen, und war deshalb dankbar für die neue Ausstellung „Preußens Eros – Preußens Musen“ in Potsdam. Zu sehen ist eine Auswahl von nicht besonders brillanten Gemälden, Zeichnungen und Fotografien preußischer Frauen aus verschiedenen Jahrhunderten. Den Bildern werden in einem geschickt gestalteten Katalog die Biografien zur Seite gestellt. Und so offenbart sich die tiefe Melancholie und Willensstärke dieser Frauen. Man blickt der Kronprinzessin Cecilie in die Augen und erblickt einen Stoizismus, der ungewöhnlich ist bei einer 22-Jährigen. Ihr Haar ist unter einer Haube hochgesteckt, ihre Finger spielen mit der Halskette: Philip de Lázlós Porträt wirkt konventionell, die Haut der Prinzessin ist, wie damals modisch, fast durchsichtig. Aber man spürt zugleich, dass sie von den Affären ihres Mannes wusste und entschieden hatte, diese zu ignorieren und ihr eigenes Leben zu führen. Die Ehe war 1913 so gut wie vorbei und Cecilie leitete von August 1914 bis zur Rückkehr des Prinzen aus dem Exil 1923 den Haushalt allein. Es ist ein königliches Porträt, aber auch das Bild einer selbstständigen, pragmatischen Frau, die von den Männern nicht mehr viel erwartet.

Schauen Sie sich diese Porträts an: Hedwig Weisbach, nackte Schultern über einem mit Pelz besetzten Ledermantel. Auf den ersten Blick das normale Gemälde einer preußischen Schönheit – in Wahrheit das idealisierte Bild, das ihr Ehemann 1884 in Auftrag gab. Hedwig, die unter Depressionen litt, hatte ihn sitzen lassen. Oder: Therese Ravené, deren rotes Lockenhaar aussieht, als sei es 1988 in Ost-Berlin frisiert worden, nicht in Königsberg 1872. Auch sie verließ ihren Ehemann. Fontane schrieb in „L’Adultera“ über sie.

Was ist spezifisch preußisch an diesen Frauen? Christina Tilmann vom Tagesspiegel fasst es in ihrem Katalogtext zu Marlene Dietrich zusammen: „Die Strenge mit sich selbst, die eiserne Disziplin und das Mütterliche wird sie behalten, auch als sie längst ein Star ist; das Pflicht- und Ehrgefühl, das sie von Jugend an gepredigt bekommen hat, bestimmt bis zum Ende ihr Handeln.“ Bis zu diesem Ende betrachtete sie sich als Offizierstochter, nicht als Diva.

Es ist also möglich, sagen die Kuratoren, sowohl preußisch als auch eine sinnliche Frau zu sein. Vergessen Sie bitte die bayerischen Barbaras und die rheinländischen Renates. Preußische Frauen sind selbstständig und mutig und erotisch und dabei noch gute Kerle. Beate Uhse? Eine ostpreußische Abenteuerin. Stephanie zu Guttenberg. Eine Bismarck. Das ist Preußen: bewaffnet, aber sexy.

Aus dem Englischen übersetzt von Moritz Schuller. Von Roger Boyes erscheint Anfang des kommenden Jahres: „To Prussia with Love“ (Summersdale Press).

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