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Meinung: MY BERLIN Wash and Go

Der Regierende Bürgermeister sah nervös aus, die Schultern hingen runter, die Handflächen waren feucht. Wie bei einem dicken Junge, der sich im falschen Teil der Stadt wiederfindet.

Der Regierende Bürgermeister sah nervös aus, die Schultern hingen runter, die Handflächen waren feucht. Wie bei einem dicken Junge, der sich im falschen Teil der Stadt wiederfindet. Die BBC freute sich, Klaus Wowereit dafür gewonnen zu haben, ihr neues Studio am Schiffbauerdamm zu eröffnen – ich vermute aber, dass sie das noch bereuen werden. Wowis goldener Griff ist bleiern geworden. Hamburg: Wahlkampfhilfe für die SPD mit den Drag-Queens von St. Georg. Danach: schlechtestes Ergebnis für die SPD. Besuch in Riga? Lettische Regierung bricht zusammen. Besuch in Helsinki? Die finnische Regierung stürzt über den ersten Korruptionsskandal des Landes. Alles Zufall? Ich würde dreimal nachdenken, bevor ich Wowereit einlüde, eine Bierflasche zu öffnen, geschweige denn eine Medienvertretung.

Und doch: Wowi bleibt über Wasser, auch wenn seine Partei weiter in Richtung Grund sinkt. Er hat sich seinen Muttersohn-Charme erhalten, Senioren finden ihn unwiderstehlich. Bei einer Party hörte ich, dass jemand eine Biografie von Wowi schreiben will. Er mag sich geschmeichelt fühlen, ich würde ihm jedoch von einer Zusammenarbeit abraten. Oscar Wilde schrieb, dass „jeder Mensch seine Anhänger hat, es aber immer wieder Judas ist, der die Biografie schreibt“.

Wäre ich Regierender, ich würde warten, bis mein goldener Griff wiederkehrt, bevor ich eine Biografie autorisieren würde. Oder bis ich etwas Greifbares für Berlin erreicht hätte. Bald feiert Wowi drei Jahre im Amt und die Liste seiner Leistungen wirkt ein bisschen jämmerlich: Universal und MTV haben sich in Berlin angesiedelt. Gut. Wir haben die Modemesse „Bread and Butter“. Gut. Und sonst? Wowi kam an die Macht, als es die Spaßgesellschaft noch gab, und er verwechselte feiern mit regieren. Er war der Anti-Diepgen. Dann kam der 11. September, die Welt war eine andere und Wowi tanzte weiter. Das Ergebnis: Ein Bürgermeister ohne Substanz an der Spitze eines byzantinischen Senats. Rufen sie sich Wowis Wahlkampfslogan ins Gedächtnis: „Berlin bewegen“. Sagen sie das den Kids, die für ihre BVG-Jahreskarte drauflegen müssen. Kinderfreundliches Berlin? Die Stadt hat die höchsten Kitagebühren in Deutschland.

Bürgermeister sind am erfolgreichsten, wenn sie die Opposition zur Landesregierung geben (Livingstone contra Blair in London, Ude contra Stoiber in München, sogar Diepgen contra Kohl). Wowi jedoch ist ein Konformist und scheint verklemmte nationale Ambitionen zu hegen – und so stehen die Berliner Sozialdemokraten noch schlechter da als die Partei bundesweit.

Wo ist Berlins Osterweiterungsstrategie? (Wien hat seit zehn Jahren eine.) Sollte der Bürgermeister nicht Posen, Stettin und Warschau besuchen statt Mexiko? Da alles, was man im Ausland über Wowereit weiß, seine Homosexualität ist, warum tut er nicht mehr, um den rosa Euro in die Stadt zu locken? Zu Beginn der Wowi-Ära holte Berlin die „Hair-World“-Messe in die Deutschlandhalle, die Stadt war voll von verschwenderischen, pfauenhaften Frisören und ihren kalifornischen Boyfriends. Heute haben sogar die Berlin hinter sich gelassen: „Wash and go“. Vielleicht wird das zu Wowis nächstem Wahlkampfspruch.

Der Autor ist Korrespondent der britischen Tageszeitung „The Times“. Foto: privat

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