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Meinung: MY BERLIN Wer schön sein will, muss zahlen

Nein, sagte Allan, die Finger fest um einen Kaffeebecher geschlossen, wir werden uns nicht an der nationalen Debatte beteiligen, ob Sabine Christiansen ihre Augenbrauen botoxt oder nicht. Allan ist mein Stil-Guru und ich folge seinem Rat – selbst wenn er das Gift, das sich modebewusste Berliner derzeit unter die Haut spritzen lassen, für ein faltenloses, sorgenloses Gesicht, in ein transitives Verb verwandelt.

Nein, sagte Allan, die Finger fest um einen Kaffeebecher geschlossen, wir werden uns nicht an der nationalen Debatte beteiligen, ob Sabine Christiansen ihre Augenbrauen botoxt oder nicht. Allan ist mein Stil-Guru und ich folge seinem Rat – selbst wenn er das Gift, das sich modebewusste Berliner derzeit unter die Haut spritzen lassen, für ein faltenloses, sorgenloses Gesicht, in ein transitives Verb verwandelt. (Ich botoxe? Ich lass’ mich botoxen?)

Geliftete Croissantkäufer

Dem Thema kann man aber kaum aus dem Weg gehen, wenn man in der Wiener Konditorei am Roseneck sitzt: überall große Spiegel, in denen jeder jeden beobachtet. Vor dem Café stehen Jaguars, eine Auswahl Cabrios, stinknormale Porsches (die heute nur noch Zahnärzte fahren), Oldtimer. Es ist Frühstückszeit, 10 Uhr 30 an einem Wochentag. Dahlem fährt vor, um seine Croissants abzuholen.

Allan und ich spielen das RoseneckSpiel: Welcher geliftete Croissantkäufer gehört zu welchem Wagen? Allan kann das, Allan kennt den Unterschied zwischen einem Ferrari Testarossa (vulgär, neureich) und einem Ferrari Daytona (vulgär, steinreich). Auf dem Bürgersteig ein bärtiger Mann, der aussieht wie Rasputin und riecht, als ob er unter einer Brücke leben würde. Er bettelt nicht, und wird deshalb von dem Dahlemer Frühstückspublikum gar nicht wirklich wahrgenommen. Auch wir ignorieren ihn und rücken diskret in eine windabgewandte Ecke.

Langsam, sehr langsam beginne ich die unsichtbaren Lebensrhythmen dieser Stadt zu verstehen. Warum verabschieden sich so viele Schauspielerinnen im April zur Kur? Antwort: Zum Fettabsaugen in Bonner oder Bad Oeynhausener Kliniken, damit die Narben rechtzeitig zur Bikini-Saison wieder verheilt sind. Natürlich wird auch in Berlin geliftet, aber da besteht dann immer die Gefahr, mit blutunterlaufenen Augen oder einer verbundenen Nase erwischt zu werden. „Liebling“, tönt es durch die Konditorei, „Du siehst so frisch aus!“ (Das ist Codesprache für: „Deine Tränensäcke sind weg!“).

Nasen, habe ich mir sagen lassen, werden am besten im März fertig gemacht und machen dann während der German Open bei Rot-Weiß ihren ersten Ausflug.

Glatte Haut für die Kitas

Ich möchte betonen, dass ich nichts gegen Berliner habe, die ihre Gesichter und Nasen verändern. Es gibt da ohne Frage Nachholbedarf. Mir geht es um etwas anderes: Berlin ist pleite und zugleich Heimat von vielen reichen, eitlen Menschen. Diese beiden Tatsachen, auf den ersten Blick ohne Verknüpfung, sollte sich der Senat zu Nutze machen. Die Hundesteuer kann man vergessen – es ist Zeit für eine Schönheitssteuer. Jonathan Swift, der große Schriftsteller des 18. Jahrhunderts, hat vorgeschlagen, dass „Schönheit besteuert werden sollte und jede schöne Frau ihre eigene Steuerklasse festlegen sollte – die Steuer würde mehr als gerne abgeliefert werden“.

Nach jeder plastischen Operation könnten Patienten ihre eigene Steuerklasse durch Selbstbezichtigung erhöhen. Das wäre ohne Frage die perfekte Berlin-Steuer: Die Damen vom Roseneck könnten sich über das Finanzamt beschweren, indem sie die Aufmerksamkeit auf ihre attraktiv und teuer geglättete Haut lenken. Misslungene Liftings könnte man von der Steuer abschreiben. Und viel Geld flösse in die Kitas. Was wir jetzt nur noch brauchen, ist ein Senat mit einem Auge für die Schönheit. Solange die PDS an der Koalition beteiligt ist? Irgendwie kann ich mir das nicht vorstellen.

Der Autor ist Korrespondent der britischen Tageszeitung „The Times“. Foto: privat

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